Foto: Kathrin Wehlisch, Julia Wieninger, Lina Beckmann, Michael Weber mit tonlosem, aber spannendem Musizieren in Elfriede Jelineks "Kein Licht" am Schauspiel Köln. © Klaus Lefebvre
Text:Detlev Baur, am 30. September 2011
Der Hausmeister (Michael Wittenborn) schleppt Stühle in den großen grauen Raum (Johannes Schütz). Nach und nach kommen die Musiker dazu („echte“ Musiker-Gäste, wie sie in Karin Beiers Inszenierungen längst zum guten Ton gehören, und Protagonisten des starken Ensembles). Die Machtspielchen beginnen bei der Verteilung der Sitzplätze (klarer Verlierer ist der Flötist Jan-Peter Kampwirth) und erfahren eine Zuspitzung, als der Dirigent (Wolfgang Pregler) auftritt. In Anlehnung an Federico Fellinis großartigen Film „Die Orchesterprobe“ entwickeln Karin Beier und ihre 19 Spiel-Musiker ein sehr amüsantes Spiel um Macht und Demokratie. Angefangen mit gewerkschaftlichen Einwänden, bei denen der TVK rhythmisiert zum Chor wird, über die miesen Machtspielchen des Mannes mit Dirigentenstab, bis hin zur Orchesterteilung zwischen radikalen Revolutionären und gemäßigten Reformern. „Demokratie in Abendstunden“ mit Texten von „Joseph Beuys, John Cage, Rainald Goetz und anderen“ ist also alles andere als ein schweres Wutbürgerstück. Fast kabarettistisch wird die kleine Kunstgesellschaft komisch seziert – die Blechbläser sind natürlich zunächst grobe Klötze und jeder hält sich und sein Instrument für den Nabel der Orchesterwelt. Zwar trifft die diktatorische Dirigentenmacht wohl nicht ganz die aktuellen Probleme unseres Staates und der Gesellschaft; andererseits ist Beiers unterhaltsames Spiel so komplex, dass kleine Einschränkungen die Freude nicht trüben. Angenehm entspannt und vor der eigenen Künstlertür kehrend (andererseits sind natürlich Seitenhiebe gegen den Stadtrat und implizit auch gegen die dem Schauspiel Finanzprobleme bescherende Oper möglich) kämpfen Egoisten um das Gemeinwohl. Am Ende ist der Raum verwüstet, schwarze Farbe rinnt die grauen Wände in dünnen Strichen herab: das Chaos dieser „Kakophonie“ (im Untertitel) ähnelt digitalen Codes. Und nach dem Aufruhr setzt sich das Orchester braver denn je, um seinem Maestro zu folgen.
Am Ende erweist sich dieses zweistündige Vorspiel als Einführung in den kürzeren zweiten Teil: „Kein Licht“ ist Elfriede Jelineks auf Bitten des Theaters entstandene Antwort auf die Katastrophe von Fukushima. Hauptmotiv ist hier das vergeblich gewordene Spiel nach der Katastrophe. Reste des Orchesters sind im Glaskasten gelandet, der im ersten Teil noch als Raucherkabine diente. Sie streichen ihre Geigen und können keinen Ton mehr erzeugen: „Und dann kommt nichts dabei raus“. Statt einer platten Anti-Atomkraft-Anklage also ein Künstlerdämmerungsstück. Offenbar diente dieser Gedanke Jelineks auch als Aufhänger für den ersten Teil des Abends. Nun wird das Spiel aber konzentrierter, mit geschlosseneren Texten und einem Rumpfensemble, das durch die Japanerin Sachiko Hara ergänzt wird. Sie spricht, jammert und zählt ausschließlich auf japanisch und macht so auch die Ferne der japanischen Schicksalsschläge anschaulich. Michael Wittenborns Ex-Hausmeister sorgt auf dem radlosen Fahrrad wenigstens für etwas Licht, und Lina Beckmann, Kathrin Wehlisch, Julia Wieninger und Michael Weber fesseln als vergebliche Musiker. Mit kaputten Geigen und Commedia-Masken ist das Spiel weniger leicht als im ersten Teil, aber ebenso vielgestaltig und bühnenwirksam, und dank des strengeren Textes schlüssiger. Ein so komplexer wie unterhaltsamer Katastrophen-Abend.