Foto: Ensemblebild mit Matthias Wippich (Sydney) und Sofia Poulopoulou (Corinna) © Matthias Stutte
Text:Andreas Falentin, am 18. März 2024
Das Theater Krefeld Mönchengladbach zeigt Gioacchino Rossinis „Die Reise nach Reims” auf einer Wiese am Niederrhein. Jan Eßinger inszeniert das Warten im Stück mit viel Humor.
Der Regisseur Jan Eßinger inszeniert, was in der Partitur steht: Das Warten. Gut, es geht nicht um Touristen im Hotel in der französischen Provinz, die unterwegs sind zur Krönung und nicht hinkommen, weil es keine Pferde gibt. In Krefeld wird eine Karosse, eine Kutsche aus dem 19. Jahrhundert ausgegraben, jetzt im 21. Jahrhundert, mit lebenden Insassen. Man will diese mit einer Zeitmaschine wegschaffen, aber die wird auf einem LKW transportiert und der steht im Stau. Also wartet man, auf einer Wiese am Niederrhein mit Ausgrabungsfläche und vielen bunten Kostümen (Ausstattung: Benita Roth).
Konstellationen des Wartens
Es gibt keinen Chor in diesem Stück, das lange verschollen war und 1825 uraufgeführt wurde, tatsächlich zur Krönung. Dafür bevölkern zwanzig Solist:innen die Bühne, acht in großen Rollen. Sie warten zusammen, in verschiedenen Konstellationen. Wir erleben dabei sehr viel Liebe und Eifersucht, viel Eitelkeit und ein wenig Neid. Der Regisseur ist hier so eine Art Verkehrspolizist. Er bahnt Wege und führt Gruppen zusammen. Jan Eßinger gelingt das gut. Manchmal zu viel beim Spiel mit Requisiten wie dem Kamm von Belfiore oder den weißen Tüchern des Arztes, mit denen er seinen Reinheitsfimmel pflegt. Manchmal zu wenig, wie kurz vor der Pause, wo er die ganze Besetzung an der Rampe aufreiht. Aber das Finale des ersten Aktes, für immerhin vierzehn Solostimmen, gelingt wieder flüssig und humorvoll.
Humor ist hier alles, verkürzt das Warten. Sogar die Übertitelungsanlage dient hier als Gagspender („Er singt noch einmal dasselbe, dieses Mal mit Koloratur“). Manchmal wird es trotzdem langweilig, man wartet sozusagen auch als Zuschauer, trotz Amüsement. Man freut sich, wenn zur Pause die Zeitmaschine erscheint. Der Stau ist offensichtlich vorbei, es geht endlich weiter. Aber nach der Pause geht die Zeitmaschine kaputt, das Warten geht weiter und mündet in ein Fest, bei dem alle Hymnen singen und den abwesenden König feiern. Plötzlich nehmen wir diese Ansammlung aus Franzosen, Russen, Deutschen, Italiener und Spaniern als internationale Gemeinschaft wahr.
Bezaubernder Gesang
Der Abend lebt vom fröhlichen, präzisen Zusammenspiel und dem in der Spitze wahnsinnig guten Gesang. Sophie Witte (Gräfin de Folville) und Woongyi Lee (Belfiore) erfreuen mit frischen, geläufigen Stimmen. Kejti Karaj (aus dem Opernstudio) und Patrick Kabonogo bezaubern uns mit einem großartig abgetönten Liebesduett. Gereon Grundmann (aus dem Opernchor) lässt als Trombonok einen sehr schön phrasierenden, frei klingenden Bass hören. Und Sofia Poulopoulou als Corinna zieht auf ungewöhnliche Weise ihren Bann.
Die Stimme ist vielleicht ein wenig dunkel für einen Sopran, etwas körnig im Timbre. Aber wie sie singt! Flüssig, klare Linien, nuanciert in der Dynamik und vor allem wahnsinnig ausstrahlungsstark. Sie öffnet das Herz für diese Musik. Ihre Schlussszene ist zudem eine Bravourtat des Regisseurs in ihrer Genauigkeit und Zurückhaltung. Der Dirigent Giovanni Conti hat nur am Anfang Probleme mit einem zu lauten Orchester. Der Rhythmus, die Dynamik der Aufführung, besonders aber die Abstimmung der vielen Ensembles gelingen ihm auf herausragendem Niveau.