Opern-Melodram wird psychologisierte Zimmerschlacht
Heuckes Musik lebt und benutzt Verdi-Motive. Verdi-Melodik und -Dramaturgie schmeckt man nebenbei immer wieder heraus. Aber nicht pur. Viele Neben- und Querstimmen stehen daneben, verzerren, überlagern das alte Material, klingen mal nach Richard Strauss, mal, zart, sogar nach Musical oder Minimal Music. Sieben Musiker:innen der Niederrheinischen Sinfoniker (Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello, Klavier) musizieren sehr transparent und dynamisch, Kapellmeister Giovanni Conti führt sie zusammen und spinnt lange, flexible Linien, lässt das Material nicht in die Breite schießen. Die Mezzosopranistin Eva Maria Günschmann als Aida und der Bariton Rafael Bruck als Radamès steuern biegsame, schlanke und sehr textverständlich artikulierende Stimmen bei. Und der Raum spendet viel Atmosphäre. „Aida – der fünfte Akt“ findet nämlich nicht im Theater statt, sondern im Bunker Güdderath in Mönchengladbach, einem Schutzraum aus dem Zweiten Weltkrieg im ländlichen Vorort, zum Konzert- und Theatersaal gemacht durch eine private Initiative. Und ein idealer Ort für dieses Werk, auch wenn die akustischen Möglichkeiten, vor allem die zu laute Verstärkung der Singstimmen, vielleicht noch nicht ausgeschöpft sind.
Und die Liebe?
Etwas wenig glücklich ist diese szenische Ausgestaltung gelungen. Dennis Krauß, auch für die Ausstattung verantwortlich, bildet Aidas und Radamès` argumentierende Vorwurfs-Schleifen, ihr Aufeinandertreffen, Zurückweichen und Zusammenschließen nicht ab, hört nicht auf die langen Linien in der Musik. Stattdessen sehen wir Posen, wie Handlungskapitel, schnell gebaut, schnell aufgelöst, sachlich fast. Die Körper wissen zumindest am Anfang nichts von Liebe, die stiehlt sich erst nach und nach ins Spiel. Vielleicht auch ausgelöst durch die Kostümauswahl – Anzug für ihn, ärmelloses Kleid für sie – die willkürlich und dekorativ wirkt.
Dennoch: „Aida – der fünfte Akt“ rührt durch Musik und Spiel und Raum, begeistert das Publikum, und – wichtig! – bringt das Theater dorthin, wo es noch nicht war, zu Menschen, die noch nicht Theaterzuschauer waren, aber jetzt gerührt vom Spiel aufstehen. Auch das ist Nachhaltigkeit.