Im ersten Stück, „Quyca“, in kolumbianischen Legenden die Göttin des Weltraums, dominieren im Bild ein zeltartiges Gebilde, ein Reisighaufen und ein kleiner Heuberg, aus dem dekorativ eine Storchenfigur herausragt, links vorne gibt es ein weiteres, kleineres Zelt. Nach und nach befreit aus diesen Justyna Koeke – als Quyca in roter Strumpfhose, die nackten Brüste in Sonnenkränze gefasst und an den Füßen mächtige Schlangen – die vier Musikerinnen, indem sie sanft auf Klangschalen einschlägt. Isabel Pardo hat eine zarte Komposition geschaffen, die mit kleinen Schlagwerken auskommt, passend zu den Bewegungsmustern, denn auch die vier Mitspielerinnen sind an den Füßen durch Tannenzweige und andere Materialien an einer schnellen Bewegung gehindert. Die Szene hat den Anschein einer Schöpfungsgeschichte, in der die Göttin eine Welt der Frauen erschafft.
In „Freie Liebe“, der zweiten Szene, wird die Bühne von den improvisierenden Musikerinnen mit ihren Instrumenten übernommen. Mit überdimensioniertem Kopfputz, mit Brüsten und Sternen verziert, kommuniziert die Gruppe mit Raunchy Rita, einer Burlesque-Tänzerin, die sich in einem mit vielen Brüsten drapierten Mantel bewegt. Selbstironisch führt sie die klassischen Gesten ihres Genres vor, lässt den Mantel fallen, schmeißt „Brüsteballone“ in das Publikum. In der „Geste des Gebens“ (laut Programmheft) soll auch hier der Kosmos beschworen werden, wie ein mythisches Auge im Hintergrund der Bühne suggeriert. In einem ständig anschwellenden Crescendo werden die verschiedenen Formen der Liebe in Bewegung und Rhythmus gegenwärtig.
In der dritten Szene agiert wiederum eine mythische Figur, Klotho, die die Lebensfäden spinnt. Zu der Komposition von Meike Senker ertastet und bewegt die bildende Künstlerin und Performerin Mimosa Pale eine Skulptur, die die Strukturen eines Diamanten, der „Träne der Göttinnen“, widerspiegelt. Vorsichtig tastet sich die Spielerin an den Gegenstand, setzt ihn in Bewegung, lauscht den Tönen nach, bis sie beginnt, Fäden, an denen kleine Rhythmusinstrumente hängen, über die ganze Bühne zu spannen, so dass am Ende spiegelbildlich die Struktur des Diamanten die Bühne beherrscht. In „Kraft des Fleisches“, einer Szene, zu der Teresa Grebchenko die Musik komponierte, geht es um physische Kraft. Sabrina Schray verkörpert eine „starke“ Frau, übertrumpft von einem Trommelsolo, das dem traditionellen japanischen Nō-Theater nachempfunden ist, und einem aggressiven Spiel von Trommeln sowie dem Klang zersplitternder Fliesen.
Aus vier Perspektiven entwickelt „Göttinnen“ mit unterschiedlichen performativen Formaten seine Wirkung; sie entsteht aus dem Zusammenspiel von Musik und bildender Kunst, ergänzt durch tänzerische Bewegungsformen. Leitmedium ist allemal die Musik, die eine magisch-mythische Welt beschwört. Und überdies unterhaltsam bleibt!