Foto: Cristina Gámiz (Irene), Mercè Arànega (Aurora), Carme Poll (Ingrid), Oriol Genís (Damián) in "Car Wash". © Cecilia Gläsker
Text:Claudia Gass, am 7. Juni 2011
Eine Autowaschanlage ist eigentlich nur eine zweckmäßige technische Apparatur. Aber in dem Stück „Car Wash“ des katalanischen Autors Marc Rosich wird die kaputte Waschanlage einer Tankstelle zum fast libidinös besetzten symbolischen Hoffnungsträger für sechs Opfer der aktuellen spanischen Wirtschaftskrise, doch irgendwie wieder erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dass dabei flugs die Fronten zwischen Unternehmertum und Arbeiterschaft gewechselt werden und linke Ideale auf der Strecke bleiben, wird billigend in Kauf genommen.
Auch Torben (Christian Schmidt), einer der sechs Protagonisten aus Soeren Voimas „Das Gestell“ und ehemals Aktivist im globalisierungskritischen Netzwerk attac, ist gezwungen, weltanschauliche Kompromisse einzugehen, als er eine Familie ernähren muss und bei einem Stuttgarter Autobauer als Entwicklungsingenieur anheuert. Seine anfangs unpolitische Frau Imme (Nadja Stübiger) dagegen verwandelt sich in eine weltfremde Ökoradikalistin, Karl (Till Wonka) bleibt der leicht zynische Pragmatiker.
Das Schauspiel Stuttgart hat für sein internationales Projekt „Menschen, Autos und das Öl“, das in Kooperation mit Calixto Bieitos Teatre Romea in Barcelona entstand, einen deutschen und einen katalanischen Autor beauftragt, je ein Stück über das Leben der Menschen in den Autostädten Stuttgart und Barcelona zu schreiben. Herausgekommen sind zwei schwungvolle kritische Komödien, die das Ringen um ein politisch korrektes Leben in der bürgerlich-kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft entlarven. Und das mit guter Beobachtungsgabe menschlicher Schwächen, genauer Analyse gesellschaftlicher Bedingtheiten, viel Situationskomik und Wortwitz (der für die deutschen Zuschauer natürlich mehr bei Voimas Stück zündet).
Trotz surrealer Momente, Medieneinsatz, überzeichnendem artifiziellen, köperbetonten Spiel, die unter der Regie von Annette Pullen („Car Wash“) und Josep Galindo („Das Gestell“) zum Einsatz kommen, sind beides konventionell gebaute Stücke und Inszenierungen. Das ist keine Kunst für die Ewigkeit, aber punktgenau am Puls der Zeit. Diese Theateraufführungen funktionieren im besten Sinne über ausgefeilte Dialoge, Handlungsspannung und die gute Schauspielerleistung – in Zeiten von Textflächen, sich auflösender fester dramatischer Strukturen und Laienakteuren geradezu eine willkommene Abwechslung.