Zu einer pulsierenden Collage aus romantisch-tänzerischen Musikstücken (von Schumann, Sibelius, Schubert und Beethoven, aber auch von Pärt, Panufnik und eigens für das Ballett von Hans Peter Preu komponiert), die das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm unter der Leitung seines Kapellmeisters Levente Török rhythmisch punktgenau und klangschön interpretierte, präsentiert die Ulmer Tanzcompagnie kontrastreich bunte Märchenszenen – je nach Inhaltsvorgabe mal emotional-dramatisch, mal dunkel und düster oder fröhlich und ausgelassen. Die Abschnitte der Erzählung sind tänzerisch fein ausgearbeitet und fließend miteinander verbunden. Feistel ist ein Kunststück gelungen: Neben lebhaften Ensembles und alle Tänzer(innen) einbeziehenden Reigen wird jede(r) Einzelne zum Solisten und kann zeigen, was in ihm oder ihr steckt.
Gabriel Mathéo Bellucci als Peter Munk ist ein Meister in der Darstellung verschiedenster Charakterfacetten – im gestrickten Bauern-Wämslein traurig-sehnsüchtig, in der golden schimmernden Angeber-Weste überheblich, mal niedergeschlagen, doch schlussendlich mit sich zufrieden. Nora Paneva gibt als Lisbeth im weißen Unschulds-Kleidchen mit dem roten Mieder ein verträumt anmutiges Mädchen und ist in verliebten Glücksmomenten leichtfüßig verspielt. Der gute Geist, das Schatzhauser-Glasmännlein, muss heutzutage weiblich besetzt sein. Jedenfalls agiert Seungah Park in dieser Rolle und im gläsern glitzernden Kostüm mit Charme und Ausstrahlung. Luca Scaduto hat als Holländer-Michel mit der großen Herz-Knopfloch-Öffnung im nackten Oberkörper den Teufel im Leib und versteht es, sich makaber gestikulierend zu verrenken, aber auch energisch kraftvoll zu tanzen. Seinem Titel als unangefochtener Tanzbodenkönig macht Yoh Ebihara alle Ehre: Seine eleganten Sprungfolgen im Kreis und das gute Dutzend hingeballerter Fouettés sind sehenswert. Und die Dorfmädchen (Maya Mayzel, Alba Pérez Gonzáles und Raphaëlle Polidor) verspotten in ihren zartbunten, luftig wehenden Kleidchen auch mal den stolzsteifen, reichen Ezechiel (Edoardo Dalfolco Neviani). Ein komödiantisch-originelles Divertissement gelingt dem ehemaligen Tanzbodenkönig (Gaëtan Chailly), der als arroganter Tanzmeister in eckigen Schrittfolgen seine Ballettschülerinnen vorstellt.
Der Tanzstil, den Feistel seiner Copmpagnie vorgegeben hat, ist modern und ausdrucksstark, aber auch mit halbklassischen Ornamenten und arabesken Figuren durchsetzt, die angenehm für das Auge sind. Auch gibt es Augenblicke, die in die Tiefe gehen. Die Szene mit den holländischen Kaufleuten vor den Schattenriss-Giebeln ihrer mächtigen Lagerhallen oder der von eisigem Nebelschnee verdunkelte Wald mit den in schwarzgraue Kapuzenmäntel gekleideten Akteuren sind Symbol einer kapitalistisch kalten Welt. Das strahlend erleuchtete Schluss-Idyll mit dem neu verliebten Ehepaar versöhnt als Hoffnungsmetapher.