Foto: Thomas Vinterbergs "Die Kommune" am Wiener Akademietheater. © Georg Soulek
Text:Joachim Lange, am 14. September 2011
Im Burgtheater kann man auch in dieser Spielzeit noch erleben, wie Thomas Vinterberg in seinem Stück „Das Begräbnis“ die gespenstischen Spätfolgen von Missbrauch als ein gleichsam latentes Risiko im Dunkel von patriarchalischen Familienstrukturen unnachsichtig und mit psychologischer Präzision aufhellt. Im Akademietheater hat er jetzt eine „Kommune“ nachgereicht. Dort ist es zwar auch gelegentlich Nacht, aber die Grundstimmung verdüstert sich nie wirklich. Und zwar auch dann, wenn es zumindest für eine der Akteurinnen bitter wird.
Vinterberg führt geradezu fernsehrealistisch in einer von Stefan Mayer anheimelnd vollgerümpelten Wohnküche vor, wie drei Singles (Tilo Nest, Dorothee Hartinger, Fabian Krüger) und die Paare Ditte und Steffen (Alexandra Henkel, Dietmar König) sowie Anna und Erek (Regina Fritsch, Joachim Meyerhoff), samt Tochter Freja (Elisa Plüss), ein Kommuneleben in den Siebzigern zelebrieren, bei dem die materiellen Voraussetzungen stimmen, die Teilnehmer sich einigermaßen mögen und ein paar Regeln eingehalten werden. Und er zeigt was passiert, wenn die Liebe aufhört, Erek seine Anna gegen die zwanzig Jahre jüngere Emma (Adina Vetter) austauscht und die „Neue“ mit einzieht. Da nämlich sind die Verletzungen, Frustrationen und Verunsicherungen in einer Kommune auch nicht viel anders als in der klassischen Kleinfamilie. Es wird nur mehr drüber gelabert und sogar abgestimmt.
Dass der Zusammenprall von kleineren oder größeren Macken selbst bei einer so exquisiten Besetzung, wie sie das Burgtheater für seine Eröffnungspremiere aufbietet, nicht über ein darstellerisches Tischfeuerwerk hinauskommt, fällt dabei wohl auf die allzu vorhersehbar im Klischee dümpelnde Vorlage zurück. Vinterberg, der sich bei seinem Durchbruchsfilm „Das Fest“ und dem folgenden Fortsetzungsstück „Begräbnis“ noch als ein fesselnder Analytiker und präziser Szeniker bewährt hatte, kann mit seiner gemütlichen Kommune jetzt weder mit neuen Einsichten aufwarten, noch aus dem ganz normalen WG-Wahnsinn wirklich Slapstick-Funken schlagen und zum Witz von Yasmina Rezas Wortfeuerwerken aufschließen. Am Ende bleibt nur die Erkenntnis, dass das Gelingen oder Scheitern der Kommune als Lebensform ebenso vom Andauern oder Verschwinden von Zuneigung, Liebe oder Kompromissbereitschaft abhängt, wie in der „klassischen“ Klein- oder den „modernen“ patchwork-Familien auch. Glück ist Glücksache. Dafür hätte man freilich kein neues Stück gebraucht. Einer wie Harald Schmidt hätte dafür ein paar Minuten gebraucht und sein Publikum genauso amüsiert.