Ich will, ich will, ich will

Franz Wittenbrink: Die kleine Hexe

Theater:Komische Oper Berlin, Premiere:26.10.2024 (UA)Autor(in) der Vorlage:Otfried PreußlerRegie:Martina GredlerMusikalische Leitung:Anne Hinrichsen

An der Komischen Oper Berlin ist für junge Zuschauende ein neues Werk von Franz Wittenbrink zu erleben: Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe” kommt als quitschbuntes Musiktheater daher – und lebt trotz schwachem Libretto vom herausragenden Kinderchor der Komischen Oper.

Als zur Walpurgisnacht riesig leuchtend der Vollmond von der Decke schwebt, geht ein Raunen und Staunen durchs junge Publikum der Komischen Oper im Schillertheater. Videoeffekte, Lichtdesign (Johannes Scherfling) oder so knallig-neonbunte Kostüme wie hier (Dinah Ehm) sind im jungen Musiktheater offenbar wichtiger denn je, um eine Zielgruppe ab erster Klasse noch gebührend zu unterhalten. Die Uraufführung von Franz Wittenbrinks Musiktheater „Die Kleine Hexe“ nach Otfried Preußlers gleichnamigem Klassiker folgt diesem Opulenz-Trend.

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In Martina Gredlers Inszenierung hockt die kleine Hexe – quietschfidel gespielt von Musical-Darstellerin Maria-Danaé Bansen – mit ihrem besten Freund Abraxas (komödiantisch krähend als Rabe: Michael Heller) in einem kleinen Plattenbauzimmer und muss mit ihren „nur“ 127 Jahren einsehen, dass sie noch viel üben muss. Statt Regen fallen Gummistiefel und Wäscheklammern vom Himmel und zur großen Hexenparty am Blocksberg darf sie auch nicht hin. So schleicht sie sich gegen den Rat des Raben heimlich zur Walpurgisnacht, wird natürlich entdeckt und muss zur Strafe ein Jahr lang üben, eine gute Hexe zu werden. Nur: Was ist eine gute Hexe? Korrektes Hexen böser Dinge oder gute Taten vollbringen, wie es die kleine Hexe versucht?

Die Hexenschar am Blocksberg in Neon-Kostümen. Foto: Jan Windszus Photography

Kluges Buch, versimpelndes Libretto

Preußlers Kinderbuch von 1957 verhandelt die für damalige Verhältnisse fast revolutionäre Emanzipation einer eigenwilligen kleinen Person. Was im Originaltext jedoch kindgerechte wie kluge Dialoge über Moral und Lebensfragen zwischen Hexe und Tierfreund sind, gerät im Libretto von Anne X. Weber und Susanne Lütje leider arg plakativ und versimpelt à la „Ist es nicht / ist es doch / ist es nicht / ist es doch“. Da wäre auch jungen Zuhörenden an vielen Stellen mehr sprachliche Varianz und Verstehen zuzutrauen.

Wittenbrinks Komposition derweil ist ein kurzweiliger Mix aus jazzigen Parts mit viel hohem Blech, Anklängen an Kurt Weill und chromatischen Läufen, die dennoch das Zeug zu Ohrwürmern haben, insgesamt also eine Mischung aus Kinderoper und Musical. Anne Hinrichsen obliegt die Musikalische Leitung und sie führt Solisten und Chor punktgenau durch die vielen wuseligen Auf- und Abgänge. Überhaupt lebt die Inszenierung vom phantastisch einstudierten, begeistert spielenden Kinderchor (Dagmar Barbara Fiebach), dem Chor (Jean-Christophe Charron) und dem durchweg guten Ensemble: Die beachtlich sauber intonierenden Kinderdarsteller Jan Polonek (Thomas) und Nora Feldman (Vroni); die männlich besetzte Oberhexe (majestätisch: Johannes Dunz) sowie die übrigen Hexen: Mirka Wagner als Sumpfhexe (und später als Publikumsliebling Maronifrau), Grace Heldridge als Windhexe, Julia Schaffenrath als Papierblumenmädchen sowie Michael Mrosek als polternder Revierförster – und nicht zuletzt die herrlich oberlehrerhafte Muhme Rumpumpel, gegeben von Karolina Gumos in grell-pinkem Tüllkleid.

Schiebbare Hauswände und fliegende Besen

Für dieses ganze Figuren-Arsenal bietet die offene Bühne von Alfred Peter die nötige Flexibilität: Graue Hauswandfassaden mit Fenstern schieben sich beim Umbau hin und her, sind Projektionsfläche für Regengüsse, Blitze und fliegende Besen. Das ist alles perfekt getimte Show, mit liebevollen Tierkostümen für den Kinderchor und grotesk-grellen für die Hexenschar. Trotzdem zerfasert der Schluss, und es bleibt ein schaler Beigeschmack, womöglich auch nur beim Erwachsenen, der sich fragt: Geht’s irgendwie auch nahbarer?