Alles dreht sich um Herrn Eraste, der den ganzen Abend davon abgehalten wird, seine geliebte Orphise zu treffen. Ein Herr mit Hut und Überbiss von trockenpflaumenartiger Seriosität wird zum Opfer der „Lästigen“. Sein Diener steht dem Belästigten immer im Weg, Mitbürger quatschen ihn an den Rand der Bewusstlosigkeit, militant beinchenschwingende Damen mit und ohne Bart bringen Thatcher-artig ihre Handtaschen in Anschlag. Nur das Objekt der Begierde, ein wippendes Weibchen aus Schweinchenrosa und Grasgrün, bleibt konsequent unerreichbar. Zwar wird das bunte Phantom-Mädel mit Doppelgängerinnen vervielfältigt, aber die erscheinen stets auf einer anderen Ebene als Eraste, was den bedauerlichen Herrn zum Klettermax in offenem Ausbildungsvollzug macht. Es ist eine Dauer-Katastrophe im Domino-Effekt und niemand könnte sich wundern, würde er zur Entlastung einfach mal „Das Bild hängt schief“ sagen.
Regisseurin Jean Renshaw schüttelt Molières bissige Reimereien wie einen Cocktail, in dem die Anteile aus Sirup und Salzsäure mit Sprudelwasser aufgefangen werden. Sie lässt Dialoge live vor- und rückspulen, treibt streitende Frauen in unwiderlegbarer Konsequenz vom Keifen zum Kläffen, traktiert das Opfer mit Attacken von Staubsaugern und Bügeleisen. Zum Showdown knallen er und sein Diener (Gideon Rapp und Franz Watzke sind als Multitalente in kabarettistischer Zuspitzung die Zugpferde dieses Komödien-Galopps) rundum alles und dann auch sich selbst so zielsicher nieder, dass es als Bewerbungsunterlage für die nächste Folge von „Men in Black“ schon nach Hollywood unterwegs sein dürfte.
Die Saxkammer Norbert Nagel und Percussion-Artist Werner Treiber fahren mit ihren Lully-Adaptionen immer wieder wie ein Rettungskommando in den nackten Wahnsinn. Die manieristische Gebrauchsmusik schäumt auf als käme sie aus der Espressomaschine. Im Spalier von überquellenden Schaufenster-Vitrinen, das sich über die Etagen zieht, mag man Einkaufsmeile oder Geisterbahn erkennen, ohne so oder so ganz daneben zu liegen.
Zwar wird mal ein Porsche in Hans Weigels deutscher Übersetzung geparkt und der latente Banken-Skandal gestreift, aber der Anspruch der Fürther Aufführung ist eindeutig, dass sie keinen hat. Die Ballett-Komödie „Die Lästigen“ schreit nicht nach einer Comeback-Welle, sie hat mit Renshaws Hilfe zur Freude des juchzenden Publikums einfach mal wieder die Sau rausgelassen.