So richtig um den Stoff geht es in der vorgelegten Tour de Force aber gar nicht. Er ist loses Vehikel, um Ideen auszuprobieren und dem künstlerischen Kurzzeitintermezzo zu frönen. Denn allein darum geht es in diesem Unterfangen: der Spontanität freien Lauf zu lassen. Kleist pries in seiner theoretischen Marionettentheater-Schrift die Möglichkeiten des Figurenspiels. Die Darstellung menschlicher Geschicke mit totem Material sei ein Arbeiten auf hohem Abstraktionslevel, wodurch die allzu menschlichen Konflikte oft besonders deutlich würden. Im Westflügel hingegen blieben Konflikte vage, die Kunst, tote Körper zu beseelen, verliert aber dadurch nichts von ihrer Faszination.
Zu Beginn wie im Schlussbild türmen sich die Figurenleiber auf einer langen Tafel zu einem Haufen. Ihre Optik lässt sich am ehesten als Mixup aus Rizzi-Pop-Art, Pokémon und Zombie vs. Plants beschreiben. Die ungelenken quietschbunten Körper strahlen halbernste Monstrosität aus, sie verlieren immer wieder die Köpfe. Munter rollen ihre heraus gefallenen Augen über Tisch und Boden. Während Anne Tismer vorwiegend mit wechselnden Stimmen aus dem Manuskript vorträgt, animiert Michael Vogel seine selbstgebauten Gliederpuppen-Ungeheuer. Aus kleinen Gesten und grobschlächtigen Verrenkungen setzt sich so der skurrile Reigen zusammen. „Wo sind die Augen?“: Immer wieder zeigen sich beide auch von Figuren und Material überfordert. Dabei bleiben sie aber grundsympathisch in ihrer Spiellust, dass die Freude am Zusehen dem Publikum nicht vergeht. Denn natürlich hat der hundertminütige Abend Hänger und Wackler, ist die Dramaturgie nicht rund. Aber man bekommt einen Einblick in den Schöpfungsprozess dieser Theaterform, erkennt keimende Ideen, erlebt, wie Mensch und Puppe zusammenfinden. Das ist ein einmaliger Moment, der diese einmalige Aufführung zum Gewinn macht. Experiment gelungen, Material tot.