Foto: Collage mit einem Foto der „Callas der Moderne" Cathy Berberian © picnic
Text:Andreas Falentin, am 12. Februar 2021
Die Exposition sollen wir nicht vergessen. Sie läuft über den Screen-Bildschirm, dann im Bühnenhintergrund über die Leinwand und wird noch einmal vom Notenpult aus vorgetragen. Die Sängerin Cathy Berberian wollte am 7. März 1983, anlässlich des 100. Todestages von Karl Marx, als Marylin Monroe verkleidet auf einer Bühne in Rom die „Internationale“ singen. Sie starb am Tag vorher.
Die Performance von picnic beginnt mit dem Abspielen einer alten, italienischen Aufnahme der „Internationale“, verfremdet diese offen klanglich, und steigt so in sein Thema ein: die Suche nach dem Phänomen Cathy Berberian, nach der Künstlerin, die fröhlich und fanatisch alles dem Primat des Ausdrucks unterordnete und dies auch von anderen verlangte; die Ton- und Klangschönheit um ihrer selbst willen immer wieder scharfzüngig geißelte. Dazu kommt die Suche nach der Frau in der männerdominierten Neue-Musik-Szene, die einige Jahre mit einem von deren Protagonisten, Luciano Berio, verheiratet war, unzählige Urtaufführungen sang und doch der macho-Macht in der Blase immer wieder die Stirn bot. Nach dem Menschen, nach der Seele wird hingegen nicht gefragt.
Die Form der Wahl für diesen Abend ist die Klanginstallation. Die Performerin Anna Eger (Sprache und Cello), die Sängerin Meredith Nicoll und der Musiker Felix Stachelhaus kreieren eine Atmosphäre des Experiments zwischen Innovation und Beliebigkeit, geradezu ein synthetisches Originalbiotop fürs Künstlerselbstverständnis, probieren aus, was hier klanglich, musikalisch, vor allem: vom Ausdruck her, möglich ist und platzieren immer wieder kleine und große Hinweise auf Berberians Kunst und Biographie. Ein Höhepunkt ist der Auftritt von Mona Vojacek Koper. Sie spricht von der Leinwand herunter als Internet-Bloggerin zu uns, in deren, englisch gesprochenem, Blog es um Sängerinnen geht. Bedingung: Sie müssen tot sein. Und Legenden. Brillant plappert Koper Klischees aneinander und malt doch, sozusagen durch die Ritzen, ein Kunst- und Künstlerinnenbild, das im Raum aufgenommen und weiterentwickelt wird.
So übt der erste Teil von „A few words for a woman to sing“ Faszination auf den Betrachter aus. Obwohl er wie üblich schmerzlich fehlt: Der Theaterraum. All diese Klänge, Bewegungen und Bilder sind fühlbar für ein Präsenzpublikum entworfen, eines, das im selben Raum ist, vom selben Klang umfangen ist, Raum und Klang durch seinen Atem und seinen Interaktionswillen rhythmisiert. Was dem Performance-Team bewusst zu seion scheint. Was sich auf jeden Fall in der Kameraführung deutlich wiederfindet. Da gibt es etwa ein Bewusstsein, dass ein leerer Theaterraum, an dessen Rückwand sich eine Projektion befindet, vom Zuschauerraum aus gefilmt immer unendlich tief ist. Und mit diesem Wissen wird klug gespielt, wenn die Projektion etwa aus der Froschperspektive gezeigt wird oder wir Felix Stachelhaus sehen, wie er geradezu von Projektionsschichten eingeklemmt wird.
In der zweiten Hälfte wechselt die Aufführung das Genre. Aus Klanginstallation wird Lecture Performance. Es geht um Susan Sontag und Camp, um Barthes, um Foucault. Man versucht vielleicht Cathy Berberian in einer Art avantgardistischen Pop-Kultur zu verorten (zumindest geistert sie mit dieser Anmutung über die Leinwand). Man spricht theoretisch, und zumindest im Themenzusammenhang belanglos, und lässt eine Orchesterkomposition von Berberian erklingen. Und sonst noch dieses und jenes. Und der Abend verläppert. Zumindest am Screen.
Und hören durften wir Cathy Berberian, dieses Sängerinnen-Wunder an Ausdruck, nicht einmal. Suche im Netz und im Tonträgerhandel dringend empfohlen!