Szenisch musste deshalb gar nichts verändert werden. Nur das Orchester wurde auf ein Drittel der Besetzung reduziert. Diese reduzierte Orchesterfassung fertigte der argentinische Komponist Oscar Strasnoy innerhalb weniger Monate an, indem er gerade bei den Bläsern die Zahl der Instrumente minimierte und beispielsweise statt sieben Flöten und Klarinetten jeweils nur zwei verwendete. Die instrumentalen Farben dagegen blieben weitgehend unverändert, sodass das auf der Bühne postierte Sinfonieorchester Basel unter der präzisen Leitung von Clemens Heil dem vielschichtigen Messiaenschen Klangkosmos sensibel nachspüren konnte. Die insgesamt transparentere Orchesterstimme hilft auch den Solisten. Die Schweizer Erstaufführung des Werkes wird so auch zur Uraufführung der reduzierten Orchesterfassung.
Zu Beginn des knapp vierstündigen, mit einer Pause gespielten Abends dominiert die Elektronik bei einigen Passagen zu stark den Orchesterklang. Aber die Balance wird besser. Die Streicher entfalten trotz ihrer kleinen Besetzung seidigen Glanz. Die Blechbläser verlieren nichts von ihrer Schärfe. Der ständige Wechsel zwischen weichen, lyrischen und nervösen, scharf akzentuierten Passagen gelingt kontrastreich. Vor allem aber tut es dem szenisch problematischen Abend gut, dass man die Musik auch sehen kann. Vor allem die drei extrem geforderten Mallet-Spieler an Marimba, Xylophon und Vibraphon sind ein belebendes Element.
Benedikt von Peter bricht die allmähliche innere Erleuchtung des heiligen Franziskus auf eine freudlose und spannungsarme Geschichte im Obdachlosenmilieu herunter. Selbst der Engel, den Olivier Messiaen musikalisch entrückt, kocht sich seine Tomatensuppe auf dem Gaskocher. Zumindest musikalisch kann Álfheiður Erla Guðmundsdóttir mit ihrem schlackenlosen Sopran und dem wunderbaren Legato ein wenig Licht verbreiten und für einen Moment die Zeit stehen lassen. Nathan Berg ist als heiliger Franziskus in seinem blutgetränkten Oberteil (Kostüme: ebenfalls Márton Ágh) ein echter Schmerzensmann, dem jedes Lachen aus dem schmutzigen Gesicht verschwunden ist. Benedikt von Peter erzählt an der Hauptfigur eine Geschichte des Niedergangs, bis Franziskus am Ende im Müll verreckt. Die Wärme, die die Regie negiert, liegt in Bergs Stimme, wenn er etwa im sechsten Bild die im Orchester gespielten Vogelstimmen beschwört.
Erlösung findet nur in der Musik statt durch das vom unsichtbaren, in der Galerie des Theaterturms aufgestellten Basler Opernchor homogen intonierte, schwebende Halleluja (Chorleitung: Michael Clark). Den Leprakranken verkörpert Rolf Romei mit kraftvollen, hellen Schmerzensschreien. Die Mönche sind in Benedikt von Peters Inszenierung heruntergekommene Saufbrüder, die ihre Zeit totschlagen, Dosenbier trinken und zusammen abhängen. Bruder Massée verleiht Paul Curievici dennoch Sehnsucht nach etwas Höherem. Jason Cox ist ein sonor klingender Bruder Léon. Bruder Elie (Karl-Heinz Brandt) dreht mit dem Fahrrad ein paar Runden, Bruder Bernard (Andrew Murphy) schiebt einen Einkaufswagen. Am Ende ist Franziskus tot. Und die Welt bleibt so trostlos, wie sie war.