Foto: Szene aus der Oper „Merlin“ von Isaac Albéniz am MiR Gelsenkirchen. © Thilo Beu
Text:Marieluise Jeitschko, am 10. Oktober 2011
Die Hoffnung der Spanier, in dem komponierenden Klaviervirtuosen Isaac Albéniz (1870-1909) einen Komponisten für die Nationaloper zu gewinnen, hat sich nicht erfüllt. Sein spanischer „Ring“, die König-Arthur-Trilogie auf das romantische Libretto seines englischen Förderers Francis Burdett Money-Coutts, scheiterte schon mit dem ersten Teil, „Merlin“. Zu Lebzeiten des Komponisten erklang lediglich die Ouvertüre ein einziges Mal konzertant. 100 Jahre später nahm sich der Dirigent José De Eusebio der Partitur an. Seine CD-Einspielung mit Placido Domingo gewann einen Grammy. Erst 2003 fand die Bühnen-Uraufführung in der Regie von John Dew in Madrid statt, dirigiert von Eusebio.
Der geradezu euphorische Premierenerfolg wiederholte sich jetzt – überraschenderweise – bei der Deutschen Erstaufführung auf der vergleichsweise kleinen Bühne des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier. Hatte Dew mit seiner langjährigen Choreografin Mei Hong Lin in Madrid auf viel Ballett gesetzt, so führt Roland Schwab in der mit raffinierten Video- und Filmeffekten angereicherten Ausstattung von Frank Fellmann (Bühne) und Renée Listerdal (Kostüme) die Massenszenen fast statisch kompakt von den Seiten auf die Spielfläche oder lässt den Chor mit gregorianisch anmutenden Gesängen aus dem Off singen. Sein Konzept für die britannische Sage ist ein heikler, wenig konsequenter Balanceakt zwischen mittelalterlichem Krieger- und Zauberer-Epos und zeitnahem Krimi im Hollywoodformat.
Unschwer erkennbar sind die Parallelen zu Wagners Werk von Lohengrin und Parsifal bis zum „Ring“. Albéniz‘ Musik huldigt dem Verehrten mit reichlich dilettantischen Zitaten und Nachahmungen – bis hin zu Wotans mehrfachem Ruf „Loge, Loge, Loge – her zu mir“ im zweiten Akt, wenn die Erde birst und feuriger Qualm die Landschaft verpestet. Was Wunder, dass die lyrisch bis zähflüssige Partitur schlicht und eindimensional wirkt, war der Komponist doch vorzüglich mit dem Piano vertraut, nicht jedoch der Klangfarben eines Orchesters mächtig.
Das Gelsenkirchener Ensemble präsentiert die Rarität fabelhaft: Lars-Oliver Rühl (Arthur) bringt einen jugendlich strahlenden Heldentenor für den jungen Burschen, der plötzlich König wird, mit. Piotr Prochera (Mordred) ist sein rot-schopfiger Rivale, Petra Schmidt eine zauberhaft zarte Fee Nivian. Bjørn Waag verleiht dem Zauberer mit geschmeidigem Bariton zu viel Würde und zu wenig List. Majken Bjerno gibt sich als Merlins Kontrahentin Morgan ordentlich zickig. Sehr bemüht um jedes Quäntchen Kolorit spielt die Neue Philharmonie Westfalen unter ihrem GMD Heiko Mathias Förster.
Dass diese Spielzeiteröffnung im Reviertheater ein Bonbon der deutschen Saison ist, steht außer Frage. Einen Platz im ständigen Repertoire der Opernwelt dürfte Albéniz‘ Oper wohl kaum finden.