Foto: Julie Martin du Theil (Hagar) in "Die Andere" in Magdeburg © Nilz Böhme
Text:Ute Grundmann, am 18. März 2016
Abraham braucht einen Sohn, einen Erben, der seine Herrschaft fortsetzt. Doch seine Frau Sara hat ihm bisher kein Kind geboren – was also tun, um Land, Macht, Herrscherwürde zu erhalten, eine kriegerische Auseinandersetzung um die Nachfolge zu vermeiden? Das ist der Grundkonflikt in der Kammeroper „Die Andere“ von Sidney Corbett, einem Kompositionsauftrag des Theaters Magdeburg, wo sie im Schauspielhaus uraufgeführt wurde. Das Libretto stammt von Christoph Hein, es ist nach der Oper „Noach“ (2001 in Bremen) die zweite Zusammenarbeit der beiden Künstler. Und auch in „Die Andere“ ist eine biblische Geschichte der Ausgangspunkt, doch trotz häufiger Bitten und Flehen zu Gott steht die Religion im Hintergrund. Erzählt wird ein sehr menschlicher Konflikt, von der Angst um Machtverlust.
Christoph Hein hat dazu einen starken, verdichteten, poetischen Text in Blankversen geschrieben, ohne Szenenanweisungen – der Regisseur muss sich also seinen Weg suchen. Ulrich Schulz tut das in seinem wunderbaren Bühnenbild zunächst überzeugend. Eine große Schriftrolle ist diagonal ausgerollt, darauf Tisch und Stühle, eine Leiter und ein Gatter. Hier lässt er Abraham (Roland Fenes) lässig-herrscherlich agieren, seine Macht verteidigen, mit Sara (Undine Dreißig) wegen des ersehnten Sohnes streiten, von Scheidung sprechen. Gespielt wird in heutig-zeitlosen Kostümen, nur der „Rat der Ältesten“ trägt altertümlich wirkende Umhänge. Sie (Kim Schrader, Kai Preißker, Paul Sketris) und Abrahams machthungriger Bruder Nachor (Manfred Wulfert) sind der Widerpart: Sie drehen ihr Fähnlein im Wind, je nachdem, wo Vorteil und Macht zu erringen sind.
Ulrich Schulz lässt das in dichten, prägnanten Szenen ablaufen (Übertitel bringen keinen Text, nur den Kerninhalt der Szene), doch dann kommt ein Bruch. Denn während Abraham um seine Macht fürchtet und sie gleichzeitig beschwört, hat Sara eine List ersonnen: Ihre ägyptische Magd Hagar (Julie Martin du Theil), Hein nennt sie eine „Umsiedlerin“, soll des Königs Kind austragen. Doch diese Nagar kommt in kurzem Rock, Gummistiefeln und Eimer daher, später, schwanger, in leuchtend grüner Robe, plakativer als die anderen Figuren. Und Schulz lässt Videobotschaften einblenden: „Kein Sohn, kein Erbe, keine Sicherheit“ – was die Szenen längst klargemacht haben. Das Orchester grummelt Gefahr dazu und darein.
Die besonderen Bühnenkonstellation – das Orchester mit acht Streichern, zwei Schlagwerken und lauter Soloinstrumenten agiert auf der Bühne im Rücken der Sänger – macht zwei Dirigenten notwendig: Der musikalische Leiter Michael Wendeberg führt die Musiker, Jovan Mitic souffliert und dirigiert die Sänger aus der ersten Reihe. Beide halten die Szenen und Klänge fugenlos zusammen. Sidney Corbetts Musik scheint allerdings manchmal zu viel Respekt vor Heins Text zu haben. Zu klaren, melodiösen Gesangslinien setzt das Orchester nur vorsichtig Akzente, deutet mit Sirren und Schlägen Unheil an. Doch es gibt auch ein wunderbares Schlagwerk-Dialog zwischen rechter und linker Seite. Und wenn Abraham die Forderung nach seiner Absetzung mit wie Schläge gesetztem, wiederholten „Nie!“ abwehrt, gibt es dazu dunkel-treibende Musik, die aggressiver und jazziger wird, je mehr er die Ältesten beschimpft. Da überzeugt das 85 Minuten kurze Werk dann szenisch und musikalisch.