Für München war es eine Erstaufführung. Nach der Uraufführung in Stockholm 1978 kam die jetzt gezeigte revidierte Fassung 1997 bei den Salzburger Festspielen das erste Mal auf die Bühne. Mittlerweile ist der „Große Makabre“ als ein Paradebeispiel der Nachkriegsavantgarde etabliert. Für die schrägen Töne der Partitur, all das Kantige und dabei vor allem stimmliche Virtuosität Erfordernde der Musik, war Nagano der Nummer-sicher-Kandidat. Er lieferte mit Präzision und Eifer auch all die eskalierende Sinnlichkeit, die das Orchester für ein erstklassiges Protagonisten-Ensemble zu bieten hat.
Immerhin geht es um das Ende der Welt. Zumindest dessen Ankündigung durch den großen Makabren, der sich Nekrotzar nennt. Ein Komet rast auf die Erde zu und kein Hollywood-Astronauten-Team in Sicht, das die Welt retten könnte. Wie bei Kurt Weill der vernichtende Hurrikan an der Stadt Mahagonny, rast auch bei Ligeti der Komet eigentlich an der Erde vorbei. Der Weltuntergang, auf den alle fixiert sind, findet (erstmal) nicht statt. Aber im Reich des Fürsten Go-Go, mit Geheimer Polizei, zwei Ministern und diversen Bewohnern geht es drunter und drüber. Sie hauen alle noch mal so auf den Putz, dass auch der Apokalyptiker selbst zum Totalausfall wird.
Weltuntergang mit Rückfragen
Bei Warlikwoski findet die Apokalypse allerdings statt. Zumindest behauptet das ein Video, das auf einer immer mal wieder auftauchenden Breitbandleinwand zeigt, wie der Komet langsam auf die Erde zusteuert und sie zerstört. Überlebende, die sich nach dem großen Knall begegnen, halten sich für Geister im Jenseits. Wobei das nicht so ganz sicher ist. Das Liebespaar, Amanda und Amando, kommt unbeschadet zum Vorschein. Am Ende inspizieren ein paar rätselhafte Wesen in Raumanzügen das Gelände.
Klarer wird die Geschichte damit nicht. Warlikowski nähert sich dem Ganzen über die einzelnen Szenen und die Porträts der durchweg absonderlichen Akteure. Er walzt genüsslich die anzüglichen Witze aus oder lässt allerhand Zusatzpersonal mit Tiermasken aufmarschieren. Ausgerechnet die große Weltuntergangsparty geht bei ihm optisch verloren. Warlikowski kriegt die Story hinter dem bühnenfüllenden Gewusel nicht wirklich zu fassen und begnügt sich stattdessen mit dem atmosphärisch Grotesken.
Musikalische Glanzleistung
Das eher zaghafte szenische Rendezvous mit dem Weltuntergang bietet allerdings den Vorteil, dass die orchestrale Musik gemeinsam mit den durchweg fabelhaften Sängern durch den Abend trägt. Es ist beeindruckend, wie hier alle mit Lust vokale Grenzerfahrungen machen und sich den darstellerischen Herausforderungen der Rollenporträts stellen.
Michael Nagy als Nekrotzar changiert zwischen der eindrucksvollen baritonalen Würde des drohenden Apokalyptikers und der nackten Witzfigur im entsprechenden Ganzkörper-Gummianzug. Sam Carl schlüpft als Astrologe zunächst in Frauenkleider, um den sexuellen Wünschen von Mescalina, die bei Lindsay Amman zur dominanten Überfrau mutiert, zu entsprechen und verblüfft dann mit dunkel prägnantem Bass. Ein regelrechtes Kabinettstück macht Sarah Aristidou aus der Koloraturhochseilnummer als Chef der Geheimen Polizei. Mit raumfüllender Präsenz stattet Benjamin Bruns den Säufer Piet vom Fass aus. Nicht zu vergessen Seonwoo Lee und Avery Amereau als Liebespaar Amanda und Amando sowie Kevin Conners und Báliant Szabó als Minister. Die zugespitzte Politsatire geht zwar eh weitgehend unter, aber der von den beiden be- oder verratene Fürst Go-Go ist beim US Amerikaner John Holiday in einer grandios sicheren Counterkehle.