Ein Mensch schaut voll Grauen schräg durch Mäntel auf einer Kleiderstange hindurch.

Mörderische Komik

Karsten Dusse, Axel Schneider: Das Kind in mir will achtsam morden

Theater:Altonaer Theater, Premiere:07.09.2024Vorlage:Das Kind in mir will achtsam mordenAutor(in) der Vorlage:Karsten DusseRegie:Axel Schneider

Das Altonaer Theater hat 2018 schon mit Karsten Dusses Krimi-Reihe „Achtsam morden“ Erfolge gefeiert. Jetzt bringt Intendant Axel Schneider Teil 2 mit „Das Kind in mir will achtsam morden” gekonnt lässig und kurzweilig auf die Hamburger Bühne.

„Wir spielen Bücher“ – mit dem Konzept hat sich das Altonaer Theater seine Existenz unter den Hamburger Bühnen gesichert. Und wenn schon ausschließlich auf Prosa gesetzt wird, dann dem Publikumszuspruch zuliebe natürlich auf Bestseller. Mit „Das Kind in mir will achtsam morden“, setzt Intendant Axel Schneider nun auf die schlichteste Form des Literaturtheaters.

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Der Ich-Erzähler der Vorlage bietet die Geschichte frontal zum Publikum dar. Jeder Satz, jede Figur wird nur aus dieser gnadenlos subjektiven Perspektive lebendig. Die Sidekicks Chantal Hallfeldt und Georg Münzel lockern als Darsteller der Romanfiguren mit kurzen Einwürfen oder auch längeren Interaktionen den Monolog auf. Ein Ankleider unterstützt bei den rasanten Rollen-/Kostüm-/Requisitenwechseln. Auch das Setting ist angenehm schlicht. Gespielt wird bei geschlossenem Vorhang auf der Vorderbühne. Nur mal ein paar Sitzmöbel werden benötigt – rechts und links stehen die Kostümwagen mit den Umkleideutensilien.

Achtsam egozentrisch

Protagonist Björn Diemel (Dirk Hoener) hat die große Wandlung schon hinter sich, die in „Achtsam morden“ ebenfalls im Altonaer Theater zu besichtigen ist. Als gestresster Anwalt zwischen Eheproblemen, Vaterpflichten, anstrengenden Klienten und Mafia-Clans, hat er dank Therapeut Joschka Breitner die Achtsamkeit für sich entdeckt. Er achtet also fortan rücksichtslos auf seine Interessen – und schafft ein lebendiges Problem auch mal mit einem Mord aus der Welt. So ist Diemel inzwischen Gangsterboss, Kindergartenleiter und lebt von seiner Frau getrennt. Das innere Kind, mit altklugen Zwischenrufen Hallfeldts sehr präsent im Geschehen, ist für Diemel eine dankbar angenommene Metapher seiner verdrängten Bedürfnisse. Diesem kleinen Quälgeist gibt er gern für all sein Fehlverhalten die Schuld und entzieht sich jedweder Verantwortung für sein Handeln.

Karsten Dusses Krimiliteratur ist keine, in der es um Leichenfinden, Mördersuchen oder Tätermotive geht. Er will Spaß mit Thriller-Versatzstücken bereiten. Dementsprechend versucht die Regie vor allem komisch zu sein – mit dem Sprachwitz des Autors, aber auch szenischen Extra-Gags und dezentem Aus-der-Rolle-Treten. Wenn sich Hoener auf offener Bühne umzieht, bekommt Münzel Angst, eine Unterhose könnte ins Blickfeld geraten, und verdeckt ihn schnell mit zwei Riesenhodensäcken. Wenn Hoener den Kollegen als Kellner anspielt und sagt, dieser sei Ende 20, schauen sich beide amüsiert an. Das Publikum lacht, denn Münzel ist über 50. Und wenn sich der Kellner dank Diemel das Genick bricht, singt Hallfeldt: „Über den Wolken“.

Hinzu kommt die Textebene. Hatte sich der Kellner eben noch die Umwelt als plastikfreie Zone gewünscht, schnoddert ihm Diemel entgegen: „Plastikfreie Zone hatte dein Vater ja offensichtlich schon untenrum bei deiner Zeugung.“ Und so geht es weiter. Das ist die Art Humor, wegen der viele Menschen Comedy-Formate auf Sat1 oder RTL nicht gucken, für die Dusse jahrelang gearbeitet hat.

Humorsache

Aber er hat auch Feindbilder, deren Parodien amüsieren. Etwa wenn Diemel einem Unternehmer die Marketing-Aussage zerpflückt, das E-Roller-Business sei klimaneutral. Oder wie herrlich Hallfeldt auf einem Elternabend gleich alle ideologisch verbitterten Mütter spielt, die etwa aus Datenschutzgründen die Aufnahme eines Kitagruppenfotos verhindern und zur Weltrettung die Ölheizung ausbauen wollen. Münzel genießt es in der Rolle des Achtsamkeitscoaches die Phrasendrescherei der esoterischen Ratgeber-Literatur bloßzustellen. Er karikiert diese Figur mit priesterlich weihevollem Tonfall, traniger Sanftmutsshow und einer Klangschale im Anschlag. Alle Figuren sind Stereotypen, was stets persiflierend überbetont, also grelllustig ausgestellt, manchmal fratzenhaft ins Groteske getrieben wird. 

Georg Münzel und Chantal Hallfeldt sind wunderbar wandlungsfähig. Dirk Hoener ist in seiner entspannten Dauerironie eine sympathische Identifikationsfigur und hat mit charmanter Eloquenz den Abend im Griff. Die gekonnt lässige Inszenierung funktioniert kurzweilig. Nur inhaltlich kommt das gespielte Buch doch arg dünn daher.