Der Autor griff in seinem Stück auf den Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ (1782) von Pierre Choderlos des Laclos zurück, in dem sich die Marquise und Valmont zusammen tun, um sexuelle Begierden bei ihren Mitmenschen zu wecken, um diese dann in Verruf zu bringen. Müller konzentriert das Spiel auf die beiden Akteure, die anderen Figuren werden von ihnen mitgespielt: Mit schnellen Rollenwechseln wird ein ständiges Spiel im Spiel etabliert.
Müller kennzeichnet dabei seine Bearbeitung als Destruktionsprozess: „Mein Hauptimpuls bei der Arbeit ist die Zerstörung. Also anderen Leuten das Spielzeug kaputtmachen.“ Und das ist das Entscheidende im Kampf zwischen Mann und Frau, zwischen Valmont und Marquise, die „Spielzeuge“ des Anderen und damit Menschen „kaputtmachen“.
Keine fortschreitende Vernichtung
Zu Beginn sitzt Mirjam Smejkal auf der rechten Seite vor dem zersprungenen Spiegel, den sie mit Blut bemalt. Das von Alexander May unter Mitarbeit von Christin Kriener entworfene Kostüm (Hose und weite Bluse) ist zweigeteilt: die eine Hälfte ist von aktuellem Zuschnitt, unifarben in Weiß, die andere zeigt ein brokatartiges Muster. Dazu trägt sie das Gerüst eines Reifrockes (den sie bei Rollenwechseln auch an Valmont übergibt) und hat Stöckelschuhe an. Auch dieses Kostüm wird gleich zu Anfang mit Blutflecken übersät. Erst später tritt Thorsten Hamer als Valmont auf. Er ist ähnlich in Weiß gekleidet, mit Weste und an einem Hosenbein findet sich das Brokatmuster wieder.
Im Kostüm wird in dessen Changieren zwischen aktualen und historisierendem Habitus die Zeitlosigkeit des Handelns betont, während im szenischen Ambiente das „Kaputte“ als Bild greifbar wird: was Smejkal und Hamer das Spiel schwer macht. Wie spielt man Zerstörung, wenn schon die Welt des Raums kaputt ist? Wie baut man unter solchen Umständen szenische Spannung auf?
Heiner Müller setzt in seinem Stück auf hohes Tempo und den scheinbaren Sound eines Konversationsstücks. In den Dialogen fetzen sich Merteuil und Valmont, lassen keine böswilligen Gemeinheiten aus, führen einen Vernichtungskampf, der sich zum Schluss hin kaum mehr steigern lässt. Die blutbefleckte Smejkal und der sonore Hamer belauern sich zunächst. Er bewahrt nach außen hin ein abgerundetes Selbstbewusstsein, das er selbst zeigt, wenn er die Kontrolle über das Spiel verliert.
Eindeutig setzt hier Smejkal die Akzente, in manchmal hysterischen Handlungen und manchmal in wunderschönen Bildern, wenn sie auf den kaputten Spiegel mit Blut ein Herz malt und so von ihrer Sehnsucht erzählt. Es sind diese Bilder, die Alexander May in seiner Inszenierung interessieren. Es fehlt der große Spannungsbogen, Smejkal und Hamer bleiben in ihren Kämpfen auf einem relativ gleichen Niveau. Und das ist schade, weil beide immer wieder ihr Können aufblitzen lassen.