Foto: Nietschze und andere Jenaer Masken in "Black Face: Die Villa". © Joachim Dette
Text:Detlev Baur, am 2. Juni 2013
Die Welt ist klein und eine kleine Stadt wie Jena mischte wiederholt durch besondere Menschen im Getriebe der Zeiten kräftig mit. In der Villa Rosenthal vermengen nun in einem unterhaltsamen Abend namens „Black Face: Die Villa“ das Theaterhaus und das Theaterkollektiv „Mass & Fieber“ lokale Gestalten mit Weltgeschichte; dafür stellen sich den Besuchern der Villa der versponnene Jenaer Zoologen Ernst Heckel oder der in Jena kurzzeitig behandelte, verwirrte Friedrich Nietzsche vor. Empfangen werden die knapp hundert Besucher im großen ehemaligen Kinderzimmer des einzigen Rosenthal-Sohnes, der im 1. Weltkrieg fiel. Der Varieté-Betreiber Meyer begrüßt das Publikum zusammen mit einem überaus besorgten preußischen Theaterpolizisten und einer zur Bühne drängenden Dame namens Eva Braun. Mit hohem Tempo und spielerischem Wortwitz besprechen sie ein für die deutsche Gemeinde verheerendes Schiffsunglück in New York im Jahre 1904, sprechen über die Ursprünge des Black Facing in den USA, welches Eva Braun im Fasching auch gerne zur Freude ihres Adolf nutzte. Masken und Puppen – zoologisch, machistisch oder theatral gesehen – begleiten auch in der Folge als Leitmotive die in Kleingruppen aufgespaltene Besuchergemeinde.
Es geht etwa in Friedrich Nietzsches Zimmer mit Schimmel-Schaukelpferd, in den Salon der Rosenthals samt strenger Hausdame und Gesang der 1941 freiwillig aus dem Leben geschiedenen Hausherrin als singendem Geist oder in den Garten zur Station im Erfinderwohnwagen des Komikers Fatty Arbuckle, der hier mit Augen herumoperiert und einen in den Kriegswirren von den Amerikanern entwendeten Koffer mit Geheimnissen aus dem optischen Laboratorium der Firma Zeiss benutzt. An den Statuten des Unternehmens hatte, wie wir zu Beginn erfuhren, Eduard Rosenthal ebenso mitgewirkt wie an der ersten Thüringischen Landesverfassung. Am Schluss werden alle Gruppen wieder zum Gesangsfinale zusammengeführt – wegen des intensiven Dauerregens im Haus, statt wie geplant, im Garten. Die 12 Akteure fassen da einige Stränge der Kleinszenen zusammen und fordern das Publikum zum Erfahrungsaustausch auf, weil die verzwickte Gruppenregie keinen alles sehen ließ.
Bestimmendes darstellerisches Element in Niklaus Helblings Inszenierung ist bei aller Puppenspielerei und Maskenhaftigkeit das gesprochene und gesungene Wort. Tempo und Timing der Akteure sind beeindruckend. Performativ betrachtet ist das Spiel jedoch nicht wirklich gewagt – die Form der organisatorisch ausgeklügelten Führung widerspricht eigentlich dem schillernden Vexierspiel, das an sich angestrebt ist. Die thematische Verwirrung der diversen Motivketten in der Produktion (passenderweise Teil des von der Bundeskulturstiftung geförderten Projekts „Doppelpass“) dürfte zwar voll beabsichtigt sein. Und doch kann einem der bewusst unkonzentrierte Text zu harmlos erscheinen. Die geistreichen Anspielungen zu Beginn über Sinn und niedere kommerzielle Beweggründe des Blackfacing samt Auswirkungen in politisch korrekt gezügeltes Theater heute verhallen in den Schnellen der Nummern und den welthistorischen Weiten der Villa. Der schöne Spaß ist voll gelungen, die Anregung zum intensiven Gedankenaustausch bleibt aber eher erfolglos, weil das Vorspiel inhaltlich etwas unverbindlich und konzeptionell einigermaßen brav bleibt.