Foto: "Die Kunst der Unterhaltung – Needcompany spielt den Tod von Michael König". © Anna Stöcher
Text:Jens Fischer, am 22. August 2011
Ein kulturkritisches Haudrauf als Ausgangsidee: Am Fernsehprogramm sollst du das verwesende Wesen der Zeit erkennen. Jan Lauwers inszeniert eine Kochshow – würzt mit selbstgefälligen, gelangweilten Menschen und gibt noch eine Prise Reality-Horror hinzu: Mit Grillhähnchen-Papierrosetten aufgebrezelt wird eine Tänzerin als erotischer Henkersmahlzeit-Braten für einen Schauspieler hergerichtet. Das wichtigste in seinem Leben ist zwar noch vorhanden – gutes Essen, edle alkoholische Getränke, Geschlechtsorgane –, aber von seiner jungen Frau wird er bereits als „senil werdender Egoist“ bezeichnet und spürt, zu alt für einen flotten Vierer im Ehebett zu sein. Also möchte der Mime seine nicht mehr ganz so knackfrische Anmutung von der Welt entfernen, als Ü50-Mann freiwillig Platz für andere schaffen und vor laufender Kamera Selbstmord begehen. Als Gipfel der Eitelkeit gestaltet er diese, seine letzte Show, schwankt zwischen Missmut, Todesangst und Melancholie, will aber noch mal mit Sentenzen beeindrucken wie: „Es ist einfacher 1000 Frauen einmal zu ficken als eine Frau tausend Mal.“ Nicht so lustig auch die anderen Unterhaltungstricks. Sie werden als Zitat aus Theater-, TV-, Gag-Historie vorgeführt und gleich in betont schäbig scheiternder Darbietung entzaubert.
Geht es also um den Tod als letzten medialen Kick? Lauwers zeigt, Theater kann nichts über den Tod sagen, ihn nur reproduzieren, illustrieren, vortäuschen. Genauso wie Film und TV. Und eine Literarisierung hilft auch nicht weiter, wie stetig eingestreute Zitate beweisen. Es gilt halt das Epikur’eische Beschwichtigungsdiktum, keine Angst vor diesem Nichts, dem Tod, zu haben, denn „solange wir leben ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht“. Jan Lauwers kann aber auch nicht mehr sagen und zeigen, also macht er sich nur darüber lustig, dass andere nicht konsequenterweise schweigen.
Die Produktion war am Burgtheater, wo Lauwers als „Artist in Residence“ fungiert, mit Martin Wuttke geplant, mit Paulus Manker schon mal geprobt und mit Michael König schließlich uraufgeführt worden. Dieser (wie auch Sylvie Rohrer) war im Kampnagel-Programmheft auch angekündigt, gespielt hat die Hauptrolle aber der flämische Mime Dirk Roofthooft, was Burgtheater-Fans nicht so goutierten. Da auch Lauwers Spielzeuge – Tanz, Bühnenbildkunst, Schauspiel, Musik –, mit denen er sonst intelligent beseelt zu jonglieren versteht, nie anspielungsreich zueinander finden, die visuelle Präsenz der ästhetischen Gemengelage ohne erzählerische Raffinesse einfach nur beliebig fragmentiert wirkt, wird’s schnell ermüdend zäh. Reizvoll sind lediglich die zwischen das Spiel collagierten, entspannten Zeitlupen-, Räkel-, Slapstick-, Stuntakrobatik-Tanznümmerchen und TV-Ballett-Parodien sowie ein Duett von Bewegungskünstlerin mit Handkamera, so dass auch diverse TV-Bildschirme farben- und formenreich beflimmert werden können. Das Hamburger Publikum fühlte sich nicht gut unterhalten, buhte gelangweilt.