Benjamin Bernheim (Hoffmann) steht vor einer Menschenmenge (Chor) mit einem Einkaufswagen. Er hält eine Videokassette in den Händen.

Im falschen Film

Jacques Offenbach: Les Contes d'Hoffmann

Theater:Salzburger Festspiele, Premiere:13.08.2024Vorlage:Les Contes d’Hoffmann (Drame fantastique)Autor(in) der Vorlage:Jules Barbier, Michel CarréRegie:Miriame ClémentMusikalische Leitung:Marc MinkowskiKomponist(in):Jacques Offenbach

Die Salzburger Festspiele verlagern Offenbachs Oper „Les Contes d’Hoffmann“ unter der Regie von Mariame Clément auf ein übergroßes Filmset. Ein Schachzug, der wenig überzeugen kann.

Jacques Offenbachs nie ganz fertig gewordenes Meisterwerk „Les contes d’Hoffmann“ an das Ende des aktuellen Premierenreigens der Festspiele zu setzen, hat seinen Reiz. Große Oper mit populärer Musik und einer Länge, die für zwei Pausen reicht. Ein mit Stars gespicktes Protagonisten-Ensemble auf der Bühne. Und im Graben ausgerechnet Marc Minkowski. Diesmal aber nicht mit seinem Orchester, sondern mit den Wiener Philharmonikern. Dazu ein weibliches Regieteam mit Mariame Clément und Ausstatterin Julia Hansen

Ihre Grundidee ist es, aus den drei Frauenbildern der Oper, die Dreharbeiten für drei Filme zu machen. Wobei Hoffmann der Regisseur ist. Oder der Autor. Oder der Mitspieler. Oder alles gleichzeitig und dann wieder gar nichts davon. Die Regie scheitert nicht an der Riesenbühne im großen Festspielhaus. Die ist immer mit jeder Menge Personal und den  abstoßend hässlichen Mauersegmenten gefüllt, die sich in jedem Akt schrittweise in einen speziellen Ort verwandeln, aber immer erkennbar verschiebbare Kulissen bleiben. 

Großes Gewusel

Die Mitglieder der (von Alan Woodbridge präzise einstudierten) Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die fast zwanzig quer durch den Fundus und die Zeiten kostümierten Statisten haben immer jede Menge zu tun. Mit Rumstehen, Rumwuseln, Wichtigtuerei, die Klappe für eine Aufnahme knallen zu lassen und all dem, was dem selbstgeschaffenen Klischee nach so am Filmset zu machen ist. Es fehlt nur die Schiene für die fahrbare Kamera und der Pool, sonst wäre das ein Remake von Marthalers auch schon missglückter „Falstaff“- Inszenierung an gleicher Stelle.

Dass Olympia keine mechanische Puppe, sondern die Hauptdarstellerin irgendeines frühen Singe-Fiction-Versuches ist, dem kann man noch folgen. Im Antonia-Akt aber, der in einer aufgebauten Filmkulisse spielt, ist Hoffmann mal der Regisseur, dann wieder der Mitspieler. Es ist nicht klar, ob in seinem Film oder in der Geschichte, die vorgibt, einen Film zu machen. Am Ende bleibt nicht Antonia auf der Strecke, sondern Hoffmann. Er geht herzinfarktähnlich zu Boden. Hm. Sollte das womöglich eine weibliche Sicht auf die Geschichte sein? Zum Schluss, bei einer Art behauptet wirkendem lieto fine, ist er ein Autor, der sich an dem Biertisch Notizen macht. Vielleicht für eine schlüssigere Offenbach-Inszenierung?

Am Anfang ist er jedenfalls der Gestrandete, Gescheiterte oder einfach nur Betrunkene, der wie ein Penner neben seinem Einkaufswagen liegt. Dann ist er aber der begehrte Solist des Klein-Zack-Liedes und hat beim Olympia-Dreh und über weite Strecken auch beim Antonia-Film das Heft in der Hand. Bis sich die Regie (also nicht die große des, sondern auch die im Stück) auf die Backstage-Unbestimmtheit der Kulissenrückseiten im letzten Akt herausredet. 

Gut besetzt, gern gesehen

Dass Minkowski eigentlich ein Händchen für Offenbach hat, kommt auch hier natürlich zur Geltung. Auch, wenn man sich das Ganze mitreißender und nicht nur „gut“ gewünscht hätte. Benjamin Bernheim ist ein durchweg konditionsstarker, auch gegen die Inszenierung mit vokalem Charisma ankommender Hoffmann, dem man in dieser Rolle gerne in einem anderen Kontext wieder begegnen möchte. Kate Lindsey als Muse und Nicklausse hat es schwer, sich gegen die szenische Geringschätzung der Rolle durch die Regie zu behaupten, macht das aber mit musikalischer Eleganz. Alle vier Frauen zu verkörpern und drei davon zu singen, ist eine Aufgabe, der sich Kathryn Lewek mit Vehemenz und (vor allem als Olympia mit atemberaubenden Koloraturen) stellt. Christian Van Horn ist ein solider vierfacher Bösewicht, dem am Ende auch die Teufelshörner und der Schwanz nicht erspart bleiben. Alle anderen komplettieren das Ensemble ohne Ausfälle.

Der Beifall ist an diesem Abend übersichtlich; für Bernheim und Lewek rafft er sich beherzt zum Jubel auf. Die Regieriege kommt also glimpflich davon.