Foto: Banu Böke, Thomas Schobert, Miriam Ritter, Ute Zehlen und Konstantinos Stavridis in „Insan.Insaat.Istanbul.“ © Uwe Stratmann
Text:Andreas Falentin, am 6. Juni 2011
Bereits in seinem ersten Werk für das Musiktheater versucht der türkische Komponist Ali N. Askin, die Gattungsgrenzen zu erweitern. Ein Opernfeature will er schaffen, ein Porträt der Stadt Istanbul als musikalisches Doku-Drama mit fiktionalen Elementen samt Baustellengeräuschen und Meeresrauschen. Mensch. Baustelle. Istanbul.
Ein typisiertes Touristenpaar, bewaffnet mit Kamera, Reiseführer und historischen Quellen, durchmisst Moscheen, unterirdische Bäder und Restaurants samt Sprachproblemen und Wasserpfeifen. Heiße Flirts mit Klischees ereignen sich da, die sich zu schalen Affären, oder, wie in der Bazar-Szene, zu kleinen theatralen Explosionen auswachsen. Zwei (oder drei? Oder nur eine?) Geschichten um einen Familienstreit, ein leer stehendes Haus und eine Geschlechtsumwandlung werden spannend angerissen, bleiben aber Fragment. Mit geheimnisvoll aufgerautem Sopran trägt Banu Böke, von der Klarinette begleitet, fünf Gedichte des Dichters Muhammad Rumi aus dem 13. Jahrhundert vor. Die Ostinati und mikroskopisch kleinen Tonmodulationen klingen dem westlichen Ohr fremd, stehen aber der Verständlichkeit der von Heimatlosigkeit handelnden, übersetzten Texte nie im Wege.
Mit Schals, Tüchern und Perlenvorhängen an improvisierten, gelegentlich hakenden Zügen deuten Johannes Weigand und sein Bühnenbildner Moritz Nitsche auf dem überbreiten Brettl des Kleinen Schauspielhauses plastisch Schauplätze an. Das siebenköpfige Ensemble aus Sängern, Schauspielern und Statisten agiert leidenschaftlich und harmoniert hervorragend. Das durch Klavier, E-Gitarre und Sampler verstärkte Orchester bewältigt die vielen Wiederholungen und Varianten dieser elektronisch aufgeladene „Oriental Minimal Music“ problemlos.
Auch wenn sich die vielen verschiedenen Flicken nur bedingt zum Teppich knüpfen lassen mögen, ist „Insan.Insaat.Istanbul.“ eine ernsthafte und spielerische Suche nach neuen Formen – als Abschluss des „türkischen Monats“ und als Vorbote der kommenden „türkischen Spielzeit“ am Theater Wuppertal mit mehreren Großprojekte mit türkischer Musik, darunter unter anderem eine Märchenoper und ein Oratorium von Fazil Say.