Foto: Ernst Kreneks Kammeroper "Vertrauenssache" an der Berliner Staatsoper im Schillertheater. Maria Hilmes (Vivian), Timothy Sharp (Edwin), Narine Yeghiyan (Gloria), Kim Schrader (Richard), Günther Albers (Musikalische Leitung) © Stephanie Lehmann
Text:Barbara Eckle, am 23. September 2013
Nur zögerlich tritt Edwin aus dem von irren Lachanfällen erfüllten, schummrigen Taumel der Hinterbühne auf den brüchigen Steinboden des neonbeleuchteten weißen Kubus’ und gibt damit dem Kammerspiel „Vertrauenssache“ den Startschuss: Zwei Liebende, gepeinigt von (gerechtfertigtem) Misstrauen zu ihrem jeweiligen Partner, ziehen aus, das Vertrauen zu lernen, finden Ernüchterung, aber auch neue Liebe. Der Spieß dreht sich um und es bilden sich zwei neue Paare, ähnlich wie in Mozarts „Cosi fan tutte“, nur ohne Widerruf.
Was vordergründig als Boulevardschwank daherkommt, seziert der Regisseur Neco Çelik an der Werkstattbühne der Staatsoper im Schillertheater und findet in Ernst Kreneks dodekaphonisch angelegter Partitur aus dem Jahr 1945, die einst als „Reiseoper“ für die Metropolitan Opera in New York konzipiert war, eine Welt an Subtext und Skepsis vor, die er hier auf körpersprachlicher Ebene sichtbar, ja begehbar macht: Selbst durch den intimsten Dialog geistert stets der oder die Andere, greift ein, und straft Worte lügen. Die steile These, die Krenek in seinem Libretto den Frauen in den Mund legt, nur wer sich selbst vertraue, könne dem Anderen vertrauen, offenbart sich hier pantomimisch als absurde Stilisierung der Realität: von einem gekrümmten Wurm mutiert Edwin erst zu einem Bodybuilder mit abgeknicktem Arm, dann zu einem mitten durch die Szenen stolzierenden Storch. Richard (Kim Schrader), der seinen steifen Anzug soeben noch voller Selbstsicherheit vor Edwins Freundin Gloria abstreifte, rennt fortan halbangezogen dem Geschehen hinterher, das, genau wie seine Freundin Vivien, unwiderruflich seiner Kontrolle entgleitet. Die innere Zerrissenheit der Frauen indes spiegelt sich vor allem in pointierter Mimik, wobei auch die Wärme von Maria Hilmes Mezzosopran Viviens gleichzeitige Verzweiflung und Tapferkeit in diesem fatalistischen Spiel immer wieder aufleuchten lässt. Bei Çelik kehren die Paare in neuer Konstellation zum vermeintlichen Happy End nach hinten in ihren Vergnügungsmodus zurück, wo sie hergekommen waren. Ein Gang im Kreis also? Erkenntniswert null? So legt es auch Krenek nahe, der mit den Worten endet: „Gebt Vertrau’n den Preis! – Ja, doch, wer zahlt den Preis?“
Entscheidend für die Stimmigkeit dieser sinnfällig doppelbödigen Interpretation ist nicht zuletzt die wunderbar ausbalancierte Mischung der vier in Charakter und Farbe so unterschiedlichen Stimmen. Allein der Kontrast zwischen Edwins (Timothy Sharp) Ringen nach innerer Festigkeit und der scharfkantigen Ironie, mit der Narine Yeghiyan Glorias überspannt virtuose Partie erfüllt, lassen stets Kreneks Ambivalenz gegenüber dem Sujet Vertrauen, aber auch gegenüber der Komödie an sich durchschimmern. Vom Klavier aus hüllt der musikalische Leiter und Pianist Günther Albers das musikalische Geschehen in ein luftiges Gewand. Mit leichtfüßig elegantem Fluss verhindert er jede Schwere und Stagnation und lässt die atonale Faktur so beschwingt wie Salonmusik klingen, ohne nur den subtilsten Unterton darin zu ertränken.
Kammeropern dieses Taschenformats scheint die wandelbare Werkstattbühne der Staatsoper ein ausgesprochen zuträgliches Ambiente zu bieten. Frei von den Dimensionen und Assoziationen der traditionellen Oper erlaubt das Understatement des rudimentär ausgestatteten Raums, der wie ein unbeschriebenes Blatt wirkt, Miniaturen wie Kreneks „Vertrauenssache“, ihre volle Wirkung zu entfalten.