Und genau hier setzt die Inszenierung von Jean Renshaw an. Sie hat sich von Christof Cremer eine dreifache Drehtür mit drei Rahmen bauen lassen, die unaufhörlich, aber nie gleichmäßig oder rhythmisch, mit- und gegeneinander kreisen, angetrieben von dem als „Carosello Dubbio“ bezeichneten Tänzer Martin Dvoràk, dessen skurrile Bewegungsbrillanz man während der Ouvertüre genießt. Danach wünscht man ihn des Öfteren sonstwo hin, weil er das Bild zu voll macht und damit die Musik überfordert. Wofür er nichts kann. Jean Renshaw hat ihre Karriere als Tänzerin und Choreographin begonnen, was man ihrer vom Theater an der Wien übernommenen Inszenierung deutlich anmerkt. Die 140 Minuten sind durchchoreographiert. Die Bilder sind voll, das Spieltempo ist so hoch wie die Gagdichte. Nicht jeder Witz kommt an, aber viele treffen ins Ziel. Die kleine Schwäche von Renshaws Inszenierung ist, dass sie kaum Ruhepunkte zulässt, die große Stärke, dass sie die Konstellation zwingend klar macht und variiert, aber nie versucht, die Handlung detailliert nachzuerzählen, was aus heutiger Sicht wohl eher läppisch wirken würde. Da treibt der schon erwähnte Leutnant ein Adels- und ein Bürgerpaar in Eifersuchtskrämpfe, während das Dienstbotenpaar sich souverän in einer auf freier Liebe basierenden Beziehung eingerichtet hat. Dafür kreisen Türen, Wände und Requisiten, sind die ebenfalls von Christof Cremer erdachten Kostüme stimmig und oft auch witzig. Vor allem gelingt es Renshaw immer wieder den Abend ins Surreale hochzutreiben, in Momente, wo man nicht mehr genau weiß, ob man sich in der Wiener Klassik oder einem heutigen Kunst-Happening befindet, am bestrickendsten im erwähnten Quintett und im Finals des ersten Aktes, in dem sich alle Beteiligten beim Besuch eines „Narrenhauses“ begegnen.
Im Graben setzt Arnaud Arbet auf angenehme Weise ein Gegengewicht. Mit dem gut disponierten Gürzenich-Orchester ist er den Sängern ein verlässlicher Partner. Er wählt sanfte Tempo-Relationen und legt Wert darauf, Salieris (aus heutiger Sicht zu) subtiles Farbspektrum zu vermitteln. Auf der Bühne steht ein extrem junges Ensemble, größtenteils aus dem hauseigenen Opernstudio. Matthias Hoffmann ist bereits im zweiten Jahr im Ensemble des Hauses – und der überragende Sänger dieses Abends. Individuelle Stimmfarbe, tolle Projektion, Ausstrahlung, Timing und Beweglichkeit auf allen Ebenen verbinden sich zu einer Ausnahmeleistung. Gespielt wird übrigens generell auf sehr hohem Niveau, zumal, wenn man bedenkt, was die Regie an körperlicher Beweglichkeit von den Sängern fordert. Besonders bei den Damen erfreuen darüber hinaus die stimmlichen Potentiale. Kathrin Zukowski verbindet als Gräfin beispielhaft Ernst und Witz und schreitet sicher durch den gewaltigen Tonumfang ihrer Partie, Alina Wunderlin gefällt vor allem durch strahlende Koloraturen, Arnheidur Eiriksdóttir als Dienstmädchen durch große Souveränität in nahezu jedem Bereich. Bei den Herren fehlt es Matteo Loi (Blasio) und Anton Kuzenok (Leutnant) bei bildschöner Stimmführung noch ein wenig an Durchschlagskraft und William Goforth als umwerfend charmantem Grafen etwas an technischem Rüstzeug. Dennoch ist die Ensembleleistung zu preisen, woran auch der die Rezitative zum Blühen bringende Luca Marcossi am Hammerklavier großen Anteil hat.