Foto: Der martini-Park, das Ausweichquartier des Staatstheaters Augsburg © Jan-Pieter Fuhr/Staatstheater Augsburg
Text:Andreas Falentin, am 3. April 2020
Ein Triptychon. 75 Minuten in drei Teilen. Vom Theater, aber im engeren Sinne ohne Theater. Schon die Anfangszeit – 20:15 – verrät, wo das Staatstheater Augsburg bei seinem ersten Coronakrisen-Streaming-Abend seine Vorbilder sucht: Hier soll es nicht dem Kunstgenre Theater gelten, sondern dem Medium. Es ist ein erster, phasenweise fast ein wenig schüchterner Versuch, dabei nicht unsympathisch, sich in der Bildschirmformatkunst, im portionierten Fernsehen auszuprobieren, ohne dabei den unbedingten Live-Anspruch des Theaters aufzugeben. Ergebnis: eine bunte Reihe mit Längen, aber auch schönen Momenten.
Einer der schönsten ereignet sich gleich zu Beginn mit einem sekundenkurzen Cartoon, in dem sich die Ananas (siehe oben im Home Office), das Marketing-Emblem des Staatstheaters, auf seine Haustür zubewegt. Aus seinem Haus, der Interimsspielstätte im martini-Park, sendet das Staatstheater im Prinzip drei Fernsehformate in Reihe: Quiz, Show, Literatursendung. Der Anfang zeigt, dass Unterhaltung, auch und gerade für ein Publikum am Bildschirm, nicht von selbst geht. Das Mehrspartenhaus will sich nicht nur vorstellen, sagt die moderierende Musiktheaterdramaturgin Vera Gertz, sondern auch die Chance nutzen, gleichsam in sich selbst auf Spurensuche gehen. Deshalb beginnt sie damit, die Schauspielerin Natalie Hünig und den Schauspieler Andrej Kaminsky mit einem Opern-Quiz zu befassen. Die Fragen sind brav, die Abläufe erscheinen bieder und gedehnt, die Retro-Wohnzimmer-Kulisse wirkt verstaubt, man wittert den Muff der 70er. Aber Hünig und Kaminski unterziehen sich der zu langen Angelegenheit authentisch und freundlich. Wie nebenbei erfährt man vom Arbeitsalltag eines Schauspielers. Und wenn Kaminsky sein Spiel mit Einmalhandschuhen mit der Bemerkung abbricht: „Witze funktionieren hier eh nicht in dem Format“, oder wenn Hünig ihn fragt „Kuckst du eigentlich in die Kamera?“ und er antwortet „Ich weiß nicht, wo die steht, sonst würde ich“, wächst ein kleines Pflänzchen Spaß im zuschauerlosen Theater. Tja, Applaus vom Live-Publikum, spontan gespendet oder eben nicht, hätte auch diesem Video-Stream aufhelfen können.
Zweiter Teil: Quarantäne-Karaoke. Die Moderatorenposition hat gewechselt. Die Schauspielerin Marlene Hoffmann moderiert fröhlich, mit guter Energie und wenig Redundanzen. Was sie sagt, steht – und sitzt. Hünig und Kaminski singen je zweimal dasselbe Lied, einmal einfach so, einmal mit Vorgaben, über die die Zuschauer an den Computern abstimmen können. Und Natalie Hünig begleitet beide mit der Gitarre. Kaminsky singt mit eigenwilligem Akzent, aber sehr innig, Lennons „Imagine“, Hünig kontert mit dem Nineties-Gassenhauer „What’s up“, cool und versunken. Man hört und sieht sehr gern zu. Dann muss sie verwirrt singen und er „flirty“. beide machen es charmant, aber ein wenig klein, sozusagen kammertheatralisch. und das ist nicht wirklich was für den Bildschirm.
Schließlich ein Höhepunkt: Andrej Kaminsky und Natalie Hünig stellen 20 Minuten lang „1000 Serpentinen der Angst“ vor, den Debutroman der Dramatikerin Olivia Wenzel. Das gelingt gleichzeitig dicht und entspannt. Sie ziehen hinein, machen Hunger auf mehr, präsentieren die kurzen Ausschnitte sehr persönlich und auf hervorragendem handwerklichem Niveau. Davon hätte man gerne mehr. Wie weniger vom Quiz, dass gute Absichten bieder verfolgte. Und bei der Karaoke müsste Exhibitionismus dazukommen.
Wie gesagt, sympathisch wirkt das alles – und könnte durchaus ein Weg sein, wie sich ein Theater präsentiert, wenn es gerade kein Theater sein darf. Wenn es damit mehr will als mit nicht zu viel Aufwand Leere füllen. Schon die zweite Ausgabe von „ananas@home“ in zwei Wochen wird zumindest andeuten, wohin diese spezielle Reise in Augsburg geht.