Foto: Uraufführung von Oliver Bukowskis "Wer ist die Waffe, wo ist der Feind". Florian Bender, Sven Heiß, Emanuel Fleischhacker, Mara S.P. Stroot © Marc Wollmann
Text:Stefan Keim, am 27. Mai 2013
Auftragswerke sind oft schwierig. Vor allem, wenn die Autoren ihren Auftrag zu genau nehmen und übereifrig die Erwartungen erfüllen. So etwas scheint bei Oliver Bukowskis neuem Stück „Wer ist die Waffe, wo ist der Feind?“ passiert zu sein.
Ein Stück über das Jahr 1913 sollte Bukowski schreiben, passend zum Programm der Ruhrfestspiele, die sich unter dem Motto „Aufbruch und Utopie“ mit dieser Zeit beschäftigen. Der Autor scheint bei der Recherche seinen Kopf derart mit Fakten vollgestopft zu haben, dass kein Platz mehr für nachvollziehbare Charaktere und eine zusammenhängende Geschichte blieb. Vordergründig erzählt Bukowski von einem Geschwisterpaar und zwei Freunden vom Sommer 1913 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Figuren sind so konstruiert, dass möglichst viel historische Verweise in sie hinein passen. Der Bruder ist ein pubertierender Hitzkopf, die ältere Schwester strebt nach Freiheit und Emanzipation. Dann gibt es noch einen Künstler in Totalopposition zur Gesellschaft und einen sozialistischen Chauffeur, einen lesenden Proletarier. Ach ja, der Vater der Geschwister ist als Vertreter der alten Ordnung auch noch dabei und darf über Freuds Psychoanalyse lästern und als Kolonialwarenhändler viel Dreck am Spazierstock haben.
Nun geht´s los mit einer Orgie aus name dropping, Anspielungen, Stilzitaten. Wedekind, Rosa Luxemburg, Lasker-Schüler, alle möglichen Utopien sausen mal eben durch den Text, meist unverdaut eingebaut. Aus dem 19. Jahrhundert grüßen Marx und Nietzsche. Die jungen Leute probieren Haltungen aus, regen sich schon mal ordentlich auf, spielen rum, zwei sterben im Krieg. Was Bukowski erzählen will, bleibt schleierhaft. Es gibt Zeitsprünge, nicht alle Beweggründe müssen erklärt werden. Aber warum die junge Thea erst cool und selbstbewusst ist, dann hysterisch ausrastet, in eine Anstalt eingeliefert wird und dann als Model großer Künstler mit eigener Wohnung wieder auftaucht, wirkt schon arg zusammen geschustert.
Richtig ärgerlich sind einige schlampig gebaute Szenen. Da liest Bruder Klaus seiner Schwester aus einem Buch einige Sätze vor, die Gewalttaten im Kongo beschreiben. Ohne zu wissen, was das für ein Buch ist, regt sie sich furchtbar auf. Ihr Vater betritt den Raum, sie hält ihm Fotos und Texte vor, die sie überhaupt nicht gelesen haben kann, da sie ja bloß die paar Sätze von eben kennt. Das sind grundlegende handwerkliche Fehler, die Bukowski sonst nicht passieren. Das Stück „Wo ist die Waffe, wo ist der Feind?“ wirkt wie eine vorläufige Skizze, die noch weit von der Uraufführung entfernt ist. Diese hat aber nun dennoch stattgefunden. Meinhard Zanger liefert mit dem wackeren Ensemble des Wolfgang-Borchert-Theaters Münster redliche Bühnenarbeit, bebildert brav die Szenen, mischt stimmungsvoll Musik und Filmeinspielungen dazu, ganz im Dienst eines Stückes, das all die Mühe noch nicht wert ist. Doch es musste nun raus kommen, schließlich geht es ja um die Zeit vor hundert Jahren. Es ist schon manchmal ein Elend mit diesen Auftragswerken!