Und eine für ihn passenden Braut gleich noch mit. Denn die angebliche Nymphe Asteria (von Daniela Gerstenmeyer mit sicherer Höhe und eleganter, auch leidensfähiger Gestalt ausgestattet) erweist sich gerade noch rechtzeitig als einst entführte Königstochter, also für Odysseus als Schwiegertochter akzeptabel. Dass Telemacos Reisebegleiterin Merione in ihr die verloren geglaubte Schwester wiederfindet (wie der Opernzufall halt so spielt) ist das eine. Dass die junge Ukrainerin Evelina Liubonko sie als junges Mädchen verkörpert und mit imponierend sicheren Koloraturen ausstattet, krönt eine ausgewogene Ensembleleistung. Wobei Julian Freibott das eine oder andere Höhenproblem durch sein empathisches Spiel als von Circe ziemlich übergriffig begehrter Odysseus ausgleicht. Valeria Mudra verkörpert mit originell timbriertem, eloquentem Mezzo den Telemaco.
Kammerspiel über Macht, Manipulation und Selbstbestimmung
Im Zentrum der Szene steht aber im übertragenen und oft auch im wortwörtlichen Sinne die Inselherrscherin Circe. Candela Gotelli schießt bei den Kostüme den Vogel ab – ihr Kleid ist der Hingucker schlechthin. Auch wenn ihre Circe manchmal noch eine Spur mehr dramatischen Furor vertragen hätte, ist sie doch mit Mimik, Körpersprache und ihrer Beredsamkeit eine überzeugende Zauberin. Dass sie gleich zu Beginn vom Orakel (mit kurzem, aber aufwendig kostümiertem und stimmlich machvollem Auftritt: Kakhaber Shavidze) dazu gebracht wird, Odysseus und seine in Bäume verwandelten Männer nach sieben Jahren Zwangsrast, ziehen zu lassen, zerreißt sie geradezu.
So versucht sie mit allen Mitteln die bevorstehende Abreise nach Ithaka zur dauerwartenden Gemahlin Penelope zu verhindern. Erst schickt sie (wozu ist man Zauberin) Telemaco wüste Alpträume vom angeblichen Selbstmord seiner Mutter. Dann versucht sie, Asteria zur Sabotage an den bereitstehenden Schiffen zu bewegen. Aber Odysseus und seine Leute sind schneller, der Wille zum Happyend beim Librettisten Marco Coltellini stärker. Die Abreise gelingt und als Circe merkt, dass sie verloren hat, schaltet sie erst ihre verbliebenen Getreuen eine nach der anderen aus und schließlich sich selbst. Mit ihrem theatralischen Aufbäumen hatte der Abend begonnen und so endet er. Die räumlich und farblich bewegliche und von Emotionen gesteuerte Installation der Neonröhren schafft einen abstrakten, aber überzeugenden Raum für ein Kammerspiel über Macht, Manipulation und den letztlich siegenden Willen zur Selbstbestimmung. Das Verließ des Odysseus unter dem Hubpodium ergänzt die schlüssige Raumlösung plausibel.
Die vollmundig federnde Musik von Gluck erinnert in ihrer drängenden Diktion daran, dass der Opernreformer für seinen historisch wichtigen Platz, in diesem Falle etwa zwischen Händels „Alcina“ und Mozarts „Idomeneo“, zurecht Aufmerksamkeit verdient. Nicolas Krüger und das Philharmonische Orchester in Hochform lassen daran keinen Zweifel. Auch wenn am Ende der eine Teil des Personals das Weite gesucht und der andere auf der Bühne das Zeitliche gesegnet hat – die Oper mit dem vollen Namen „Telemaco ossia l’isola di Circe“ (Telemach oder Die Insel der Circe) lohnt einen Besuch in Erfurt.