Natürlich soll hier auch Theater gespielt werden. Das war in Griechenland ja auch eine hochpolitische Angelegenheit. Es hätte also nahegelegen, den Raum mit einem antiken Drama oder seiner Überschreibung zu eröffnen. Tatsächlich wird Roland Schimmelpfennigs „Laios“ hier noch gespielt werden. An anderen Spielstätten gibt es „Elektra“ und „Antigone“, ein Projekt zu dem Braunschweiger Staatsanwalt Fritz Bauer, der den Nazi-Widerstand rehabilitierte. Das Staatstheater hat sich also durchaus stark politisch positioniert in dieser Saison.
Zum Auftakt nun aber ein Sandalenfilm – „Il Trionfo dei Giganti 2“. Oder besser die Proben dazu, am Set der „Agora-Productions“, die sich ebenso abgehalftert darstellen wie unsere Demokratie. Die Leitungs-Crew ist irgendwie schon abgetreten. Die untere Ebene der Schauspielenden, Regieassistentinnen, Dramaturgen und Inspizienten beginnt, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Die Zuschauenden sind als Statisten dabei.
Das klingt jetzt logischer und relevanter, als es gespielt wird. Denn Regisseur Fynn Malte Schmidt ist ein Freund der trashigen Performance, die hier aber so angestrengt albern, selbstreferentiell und bisslos daherkommt, dass man 110 Minuten lang nicht recht weiß, wozu man eigentlich geladen ist.
Zäh wie Kaugummi
Es fängt schon außerhalb des Aquariums an, wenn eine nicht mal überzeugend überdrehte Assistentin die Zuschauerinnen und Zuschauer als Statisten zusammentreibt. Die Jagd auf einen angeblichen Waschbären und die Warnung vor seinen Hinterlassenschaften nehmen dann im allgemeinen Set-Gewusel viel Raum ein, völlig witzlos wie die minutenlange Aufräumerei, in der das Publikum als spannendstes das Ablaufen des Kamera-Akkus mitbuchstabieren kann.
Die Filmindustrie ist vielleicht nicht der naheliegendste Arbeitgeber in einer Region, in der die Auto-, Stahl und Elektroindustrie mit der Transformation kämpfen. Aber schon allein der selbstgefällige Englisch-Sprech, die Kommerzialisierung und andererseits die Nostalgie der älteren Spieler am Set nach den guten alten Zeiten könnten genug Assoziationen für Arbeitnehmer aller Branchen liefern. Bis hin zu den verhallenden Durchsagen des Betriebsrats, vor denen sich die Arbeitsameisen lieber wegducken – lieber nicht solidarisieren, wenn man sich ein Türchen zur Karriere im System offenhalten will.
Ohne Tiefgang
Aber genau dies wird nie gespielt: Da wo Situationen Raum zur Erkundung der Gedanken, Hintergründe und Gefühle der Figuren bieten würden, bleibt es bei Stichworten, kurzen Anrissen etwa zwischen dem erfahrenen Dirk und der eifrigen jungen Pamela. Tobias Beyer und Amy Lombardi können so noch ansatzweise mal ins Menschliche vordringen. Auch Heiner Take als reifer Darsteller, der den Jungen eine Königin Aretusa hinlegt wie im Ufa-Traum. Aber man steigt nicht wirklich ein auf solche Situationen, schnell wird es wieder ins Komische gezogen. Damit bleibt das Stück genauso oberflächlich wie die Entwicklung, die es kritisiert. Und gerade wenn die Mitwirkenden sich per Abstimmung selbst zu Entscheidenden ermächtigen, wird das mit so kichernder Naivität und „Ei“-Rufen gespielt, dass es eher woke-ironisch wirkt.
Aufgesetzt am Ende noch der Exkurs Bär: Statt am Runden Tisch im Stehkreis werden brav die Argumente für und wider Bären im Trentino aufgesagt. Als Referat von Zeitungswissen ist das langweilig, ein Stück darüber würde tiefer in die Figuren und ihre Beweggründe hineinleuchten können, zumal wenn es dann um die grundsätzliche Frage ginge, wer entscheiden soll, wer wo leben darf. So war dieser „Trionfo“ eine unter viel Trash – der Waschbär hat dann auch noch gesungen – verschenkte Gelegenheit, auf der Agora gedanklich voranzukommen.