Foto: "Icke - die Oper" vom Rap-Duo Icke & Er machte an der Berliner Volksbühne mächtig Spaß. © Thomas Aurin
Text:Ulrike Lehmann, am 26. April 2011
Icke – der Typ hinter Kapuzenshirt und Sonnenbrille – trödelt plaudernd die weiße Revue-Treppe runter, grüßt freundlich das Publikum, das ihm ebenso nett entgegengrölt: Die Stimmung in der Volksbühne ist prächtig, einiges an Fangemeinde scheint versammelt.
2006 hatte der ungeplante Erfolg das Rap-Duo „Icke & Er“ heimgesucht: Ihr selbstgedrehter, im Internet veröffentlichter Musikclip „Richtig geil“ sorgte bald auch außerhalb der Web-Welt für Furore. In betont akzentuiertem Berlinerisch rappten die Kapuzenproletarier über das Leben in der Hauptstadt, speziell den Sommer in Spandau („Ick brauch keen Hawai“). Doch Pressewirbel und Konzerte geben wurde ihnen zu anstrengend, der Rückzug in die gehütete Anonymität folgte. (Bis heute streitet die Szene, ob die zwei überhaupt Berliner sind, oder eher Hamburger…)
Nun das Comeback, ausgerechnet am Theater, dem Ort hemmungsloser Transparenz. Icke & Er haben „Icke – die Oper“ geschrieben, als Musical, das auch mal gängige Opernformate verhunzt. Im Mittelpunkt diverser Figuren steht die medial konstruierte Identität von Icke, der wie alle hier nur ein armes Würstchen ist. Von Mutti (Gitta Schweighöfer) mit Keksen ruhiggestellt, wird sein verfettetes Double am Ende gekreuzigt. Bis dahin singt ein tuntiger Fan (super: Matthias Buss) via Webcam Coversongs für Icke, obwohl das Idol seine Facebook-Anfragen böse ignoriert. In der Eckkneipe nörgelt ein Paar über ihre gescheiterte Ehe, eine Nutte im ausgestopften Ganzkörperstoffanzug (Inka Löwendorf) spult automatisierte Anfragen ab („Willst du Sex oder promovieren?“) und ein schmieriger Opa (Friedrich Lichtenstein) tanzt im Bademantel apathisch mit sich selbst. Allein sein kann man eben mit und ohne Social Media.
Während sich also das Prekariat Band-begleitet von Song zu Song durchs Leben quält, hängt Er als Ickes bewährte Hintergrundfigur Pils-trinkend vorm Spielautomaten ab – gedoubelt natürlich (der echte Er zeigt sich erst zur Applausordnung). Und Icke? Der sinniert mit seiner sonoren, tiefen Stimme übers Leben, wie es war ohne Berühmtsein, wie weitermachen zwischen Medienhype und Normalitätssehnsucht. In diesen Momenten entfaltet der amüsant-trashige Abend trotz manch blinkendem Blödsinn einige Tragik.