Foto: Die Uraufführung von Konstantin Küsperts "mensch maschine" am Theater Regensburg. Clemens Giebel, Pina Kühr, Sebastian Ganzert © Jochen Quast
Text:Manfred Jahnke, am 23. September 2013
Was wie Science Fiction in „mensch maschine“ von Konstantin Küspert daher kommt, könnte aber durchaus der Realität entspringen. Drei Wissenschaftler führen vor einer nur aus dem off zu hörenden Kundschaft ein neuropsychologisches Experiment vor, um ihre Forschung künftig finanzieren zu können. Ein Neurochirurg, eine Gefäßpsychologin und ein Computerlinguist haben sich zusammengetan, um dem entführten „Du“, einem Werbetexter, das Gehirn aus dem Kopf zu operieren, an einen Computer anzuschließen und über Reize die Welt zu simulieren. Leider wurde, was nicht vorgesehen war, bei der Entführung auch Sie, eine Praktikantin, im Bett des Du gefunden, mitgenommen und mit schweren Beruhigungs- und Schmerzmitteln ruhig gestellt. Das Experiment scheint zu gelingen, auch, wenn sich herausstellt, dass der Computer zwar schnell handeln kann, aber (noch) nicht gleichzeitig unterschiedlichste Eindrücke verarbeiten kann. Als Du in der Simulation wieder wirklichen Erfahrungen ausgesetzt wird, sind es die Alltäglichkeiten, die ihn misstrauisch machen: der Kaffee schmeckt nicht, der Kuss der Sie fühlt sich anders an. Er glaubt zu träumen, er zweifelt an seiner Wahrnehmung: Komplexe philosophische Fragen stellt Küspert, die Frage nach dem „Ich“ und dem „Nicht-Ich“, die Frage, inwieweit ein „Ich“ sich nur in einem „Du“ erkennen kann. Am Ende des Stückes dann kann Jupiter – weil diese Forschung nicht legal ist, arbeiten die Wissenschaftler mit Decknamen – feststellen, dass sich das „Ich“ des Du in „viele“ aufgelöst hat.
Wissenschaftliche Erfahrungen der Hirnforschung und die damit verbundenden philosophischen Fragen, wie auch die Frage nach der wissenschaftlichen Ethik sind Auslöser für eine Handlung, die mit starken crime-Elementen arbeitet, also einer Spannungsdramaturgie, zumal Küspert seine Themen objektiv vorführt und es den Zuschauern überlässt, dazu Stellung zu beziehen. Saher Amini, die am Theater Regensburg „mensch maschine“ des in Regensburg geborenen Autors Küspert (der seine ersten Theatererfahrungen im dortigen Jugendclub machte) uraufführte, treibt diese Objektivierung voran, in dem sie dem Naturalismus des Textes entgegenarbeitet: Sie lässt die Dialogszenen nicht ausspielen, was der Text durchaus nahe legt, sondern diese werden erzählt. So wird die Operation des Du nur mit winzigen symbolischen Gesten wie einer Zeichnung der Gehirnumrisse mit rotem Stift dargestellt, ansonsten kommunizieren die drei Wissenschaftler in direktem Kontakt mit dem Publikum. Diese Erzählweise wird bis zum Schluss durchgehalten, auch Du in seiner Wirklichkeitssimulation arbeitet – im Ambiente der Videoinstallation von Michael Deeg – mit nur ganz wenig Gesten. Mit dieser Form fordert sie ihren Spielern viel ab: in der Reduktion müssen sie voll präsent sein. Das gelingt Gunnar Blume als der Teamchef gut, sein Changieren zwischen Härte und einem aasigen Lächeln deutet den Zwiespalt seiner Figur aus. Pina Kühr führt mit ihrer Figur den Widerspruch zwischen ärztlicher Ethik und wissenschaftlicher Gier vor. Clemens Giebel stellt den modernen Computerspezialisten vor, immer cool bleibend. Am schwersten hat es sicherlich Sebastian Ganzert als Du, weil ihm die Regie konsequent alle Spielmöglichkeiten genommen hat. Das Gleiche gilt für Sina Reiß als Praktikantin. Für die nicht-naturalistische Inszenierung hat Anna Schurau eine Bühne gebaut, die mit ihrer grünen Kachelung und dem Fenster an der Rückwand an einen OP-Saal alter Bauart erinnert.