Die hohe musikalische Qualität bleibt auch in „Der Ring des Polykrates“ erhalten. Die häufig nach Richard Strauss tönende Musik klingt trotz ihrer Opulenz immer durchsichtig. Rhythmische Klarheit trifft auf eine besondere Verbindlichkeit in der Klanggebung, mit der Bollon gerade die Übergänge modelliert. Mit siebzehn Jahren hat der Zemlinsky-Schüler Korngold diese 1916 in München uraufgeführte „Heitere Oper in einem Akt“ nach dem Lustspiel von Heinrich Teweles komponiert. Friedrich Schillers gleichnamige, das Glück umkreisende Ballade (1797) ist Ausgangspunkt der im gleichen Jahr spielenden Geschichte. Ein bürgerliches, glücklich verheiratetes Paar wird durch einen Jugendfreund konfrontiert mit der Schattenseite des Lebens. Die Schicksalsfrage „Hast Du vorher schon geliebt?“ sorgt nicht nur beim Hausherrn und seiner Gattin für temporäre Verunsicherung, sondern auch das Dienerpaar Florian und Lieschen kramen in der weiblichen Vergangenheit. Am Ende herrscht wieder eitel Sonnenschein. Als Opfer, das für den Erhalt des Glücks gebrachten werden muss, wird von den beiden Paaren einstimmig der vom Pech verfolgte Freund Peter Vogel auserkoren.
Der amerikanische Tenor Jeff Gwaltney überzeugt in der Partie des Hofkapellmeisters Wilhelm Arndt mit Leuchtkraft und entspannter Höhe. Arminia Friebe zeigt als Gattin Laura viele Zwischentöne und entwickelt einen warmen, tragenden Stimmklang. Die Ensemblemitglieder Roberto Gionfriddo (Florian) und Irina Jae-Eun Park (Lieschen) gefallen mit Spielfreude und Musikalität. Michael Borth (Peter Vogel) bringt mit seinem markanten Bariton eine dunklere Farbe in die hell strahlende Harmonie. Dass Regisseurin Teresa Rotemberg diese spießbürgerliche Idylle, die eigentlich eine Hölle ist, eins zu eins abbildet und das fragwürdige Setting ohne jede Ironie umsetzt, macht diesen „Ring des Polykrates“ szenisch unerheblich. Nicht einmal ein echtes Bühnenbild ist zu sehen – ein paar herumstehende Stühle und Notenständer sind alles, was man sich dazu einfallen ließ. Auch die Personenregie bleibt brav, bieder und vor allem humorfrei. Laura freut sich am Ende auf ihre Zukunft als Ehefrau, die ihre Erfüllung findet im Stricken und Spinettspielen. Auch Lieschen und Florian träumen von einer Fortsetzung des trauten Glücks. Der alte Freund Peter Vogel stört da nur und lässt zum Abgang noch ein paar Instrumente mitgehen. Naja.