Foto: Szene mit Erik Constantin, Toammso Balbo und Cornelius Mickel © Oliver Berg
Text:Isabell Steinböck, am 26. Mai 2014
Eine Tänzerin geht langsam über die dunkle Bühne und zieht überdimensionierte, pinke Schmetterlingsflügel hinter sich her. Da öffnet sich neben ihr die Kulisse und aus einem grauen, meterhohen Kubus (Bühne: Till Kuhnert) werden Räume: Hier bildet sich eine Pförtnerloge, dort ein langer Hotelflur mit Türen, vor denen elegante Pagen regungslos auf Gäste warten. Vom Concierge selbst ist zunächst nur eine Hand zu sehen, die auf der Empfangstheke nach der Pförtner-Klingel tastet. Als das Glöckchen ertönt, taucht er mit breitem Grinsen auf – ein Clown seiner selbst, instrumentalisiert für die Gäste, während es in seinem Inneren brodelt. Mal erbricht er sich unter seiner Theke, mal schreit er wütend ins Leere. Ein Mann, der sich selbst verloren hat, frei nach der Überschrift zu Felix Landerers Tanztheater, „Der Concierge“: „Man denkt, was man hätte sein können, wenn man nicht hätte sein müssen, was man ist.“
Felix Landerer gehört zu den jungen Aufsteigern der internationalen Choreografenszene. Ausgebildet an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt, war der mehrfach ausgezeichnete Choreograf in den vergangenen Jahren bei renommierten Kompagnien zu Gast, darunter das Scapino Ballett in Rotterdam, Norrdans Schweden oder die Göteborg Danskompani. Mit dem Tanztheater Münster ist ihm jetzt eine surreales, vielschichtiges Stück gelungen, das die Grenzen zwischen Realität und Phantasie kunstvoll verwischt. Da schiebt sich plötzlich eine Tänzerin aus der Wand; mit ihrer dunkelblauen Bluse zur weißen Hose scheint sie perfekt getarnt, wenn sie sich gegen ebensolche Hotelwände drückt. Eine andere schleppt einen Teppich herein, scheint es sich im Flur heimelig machen zu wollen, während eine dritte immer verzweifelter auf sie einredet. Für den Concierge, der wie ein Stehaufmännchen hinter seiner Theke hochschießt, ein heilloses Chaos, das er, dezent gegen ein Megaphon klopfend, zu bewältigen versucht, bis plötzlich eine weiß gekleidete Frau auftaucht, die ihn magisch anzieht. Aber auch sie wirkt seelenlos wie eine Puppe, die immer wieder in sich zusammensackt, während der Concierge seine Kollegen dazu anhält, ihrem gebrochenen Tanz zu applaudieren.
Felix Landerer eröffnet diverse Assoziationsräume, die traumhaft und sehnsuchtsvoll scheinen, sich jedoch nicht immer füllen lassen. Konkreter sind skurrile, groteske Szenen um die Figur des innerlich zerrissenen Concierge, vervielfacht um vier weitere, übereifrige Pagen, deren fließende Gruppenchoreografien zu Christof Littmanns Musik – ein Mix aus Geräuschen und sphärischen Klängen – wie aus einem Guss wirken. Landerer fasziniert durch weiche, miteinander verwobene Tanzelemente, die das Ensemble perfekt umsetzt, allen voran Tommaso Balbo, der sich als Concierge in den Hoteltrubel stürzt und in Slow-Motion Bewegungen vorwärts wie rückwärts rekapituliert. Ein eigenwilliges, spannendes Stück, das nicht zuletzt durch seine Ästhetik für sich einnimmt.