Text:Stefan Keim, am 28. September 2014
Schauspielhaus Bochum Dänische Delikatessen Anders Thomas Jensen Hans Dreher Oliver Paolo Thomas Stefan Keim DIE DEUTSCHE BÜHNE
Die Welle der Filmbearbeitungen reißt nicht ab. Nun ist die schwarze Komödie „Dänische Delikatessen“ dran. In den Bochumer Kammerspielen heißt sie nur noch „Delikatessen“, hat aber an Biss keinesfalls verloren.
Metzger Richard findet eine Leiche in seinem Kühlhaus. Dem Toten fehlt ein Bein. Beiläufig erklärt Richards Kompagnon Karl, er habe das Bein gerade verkauft. Als Hühnchenfleisch in einer Spezialmarinade. Die beiden Freunde haben erst vor kurzem ihren Fleischladen eröffnet. Bisher blieben die Kunden aus. Aber dieses spezielle Hühnchenfleisch wird ein Renner. Der erste Tote war noch ein Unfall. Ein Handwerker arbeitete im Kühlhaus, die Tür fiel zu und ließ sich von innen nicht öffnen. Doch kurz darauf findet Richard die nächste Leiche, einen filetierten Immobilienmakler.
„Delikatessen“ ist eine tiefschwarze, im doppelten Sinne bissige Komödie. Zarte Gemüter haben viel zu schlucken. Aber das zum Theaterstück umgearbeitete Drehbuch des Dänen Anders Thomas Jensen bietet auch interessante Figuren. Richard kämpft heftig mit moralischen Bedenken, will zur Polizei gehen, gerät immer mehr unter Druck. Und auch Karl mordet nicht aus Vergnügen, sondern nur, weil er keinen anderen Ausweg sieht. Raiko Küster und Jost Grix sind ein grandioses Komödiantenpaar mit perfektem Timing, abgründigem Humor und packenden stillen Momenten. Die Blicke Raiko Küsters, wenn er Unheil wittert, haben die Qualität von Cary Grant im Klassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“. Die beiden Regisseure Hans Dreher und Oliver Paolo Thomas, die sonst das Off-Theater Rottstraße 5 in Bochum leiten, haben mit viel Musikeinspielungen in einem opulenten Bühnenbild inszeniert. Sonst müssen sie Theater aus dem Nichts entstehen lassen, in den Kammerspielen des Schauspielhauses schöpfen sie aus dem Vollen. Und tun es mit viel Gespür, die Inszenierung erinnert an klassische Hollywoodkomödien mit Anarchotouch. Die vielen Nebenrollen teilen sich fünf Schauspieler im fliegenden Wechsel. Besonders viel Spaß versprüht dabei Florian Lange, unter anderem als fieser Konkurrent der beiden Metzger.
Das Essen von Menschenfleisch, auch wenn es delikat zubereitet wird, ist zu Recht ein Tabu. Dennoch wirken die Metzger unheimlich sympathisch. Sie handeln niemals boshaft, sie wollen nur überleben. Und akzeptieren die Philosophie des Spätkapitalismus: Der Mensch ist dem Menschen ein Fleischwolf.
Termine: 8., 12., 16., 29. Oktober, 5., 18. November