Statisterie

Holzschnitthaft

Robert Ward: Hexenjagd (The Crucible)

Theater:Staatstheater Braunschweig, Premiere:28.05.2016Regie:Hugh HudsonMusikalische Leitung:Christopher Hein

Seit Amtsantritt von Operndirektor Philipp Kochheim zeichnen sich die Opernproduktionen am Staatstheater Braunschweig durch eine filmische Ästhetik mit starken modernen Bühnenbildern und realistischer, heutiger Personenführung aus. Einen Oscar-Preisträger als Regisseur zu gewinnen, mochte da ins Konzept passen. Nur hatte Hugh Hudson („Die Stunde des Siegers“, „Greystoke“) keinerlei Bühnenerfahrung und hat nun für Robert Wards „Hexenjagd“-Oper eine reichlich biedere Stadttheater-Inszenierung abgeliefert, die jede Anwendung des im 17. Jahrhundert spielenden Stücks auf die Entstehungszeit des zugrundeliegenden Arthur-Miller-Dramas, die Kommunistenhatz der McCarthy-Ära, oder gar heutige Verhältnisse verweigert.

Das sieht dann eher holzschnitthaft aus. Man steht oder sitzt viel rum in historischen Kostümen: Honoratioren mit großen Hüten und weiten Mänteln und panzerbewährte Wachen mit Fackeln. Während Brian Clarkes Raum mit Blattranken, expressionistischen Blumen und Scherenschnitt-Astwerk eher symbolistisch ausfällt, aber schwarze Haussilhouetten mit Holzbänken gefüllt werden. Das wirkt doch insgesamt gar zu einfach. Erst ganz am Ende wird der mahnende Schlusssatz „Zuerst verfolgten sie die Hexen……“ eingeblendet, alles andere müssen sich die Zuschauer denken.

Die packendsten Momente schaffen folglich die Sänger. Wenn Peter Bording als John Proctor mit weich flutendem Bariton zur großen Selbstrechtfertigung ausholt, der kernige Ton seiner wiedererwachten Ehre Ausdruck gibt und er in kraftvollem Strahlen noch einmal dem Orchestercrescendo standhält: Hier stehe ich und kann nichts anders. Die bigotte Gesellschaft mag ihn dazu bringen, sich fälschlich der Hexerei zu bezichtigen, um seinen Kopf zu retten, aber nicht auch noch dazu, das schriftlich zu bestätigen, seinen Namen und den seiner Kinder damit ehrlos zu machen. Schon senkt sich die Henkersschlinge herab, ihr Schatten umschließt seinen Hals. Blackout, ein Aufrechter ist zu Fall gebracht.   

Einer, der auch zu seiner sexuellen Ausschweifung mit der jungen Abigail stand, der aber im letzten Duett zu seiner Frau Elisabeth zurückgefunden hat und der allgemeinen Hexenjagd entgegentritt. Elisabeth wird von Abigail als Teufelsbraut bezichtigt, um Proctor ganz für sich zu haben. Doch die Verfolgung führt die Proctors wieder zusammen. Und das ist Anne Schuldts großer Moment, wenn sie mit geschmeidig in sich ruhendem Mezzo zu Cellofonds und zart darüberliegender Geige John ihre sexuelle Scheu gesteht, der sie die Schuld an seinem Ehebruch gibt. Da liegt so viel Wärme und Liebe in der Stimme, dass John sich ihr in gleichem Ton wieder zuwendet und das Orchester ziemlich hollywoodhaft aufblühen darf.

Und dann ist da noch Moran Abouloff als die aufreizende Abigail. Ihr Sopran hat freche Kraft, wenn sie die Mädchen zum kollektiven Vortäuschen der Besessenheit bringt, so können sie ihre Ausschweifung anderen in die Schuhe schieben. Aber die Stimme hat auch eine schöne weiche Fülle, wenn sie Proctor ihre andauernden Gefühle gesteht, da er sie gelehrt habe, zu lieben. Dafür ist sie bereit, über Leichen zu gehen.

Die emotionale Psychologie der Figuren in Robert Wards Hexenjagd-Oper ist also durchaus vielschichtig und sensibel. Seine Musik ist süffig fließend mit manchmal musicalhaftem Drive und einer etwas signalhaften Klangfarbendramaturgie. Da brummelt es bedrohlich aus Celli und Bässen herauf, wenn Proctor seine Magd Mary zur Aussage gegen Abigails faulen Hexenzauber bringen will, und lässt Proctors allfällige Erotik mitschwingen. Mirella Hagen setzt ihren klaren hellen Sopran dagegen, Trommelwirbel und Donner beenden die Szene.

In marschhaftem Rhythmus naht der Richter, dessen hohe Töne Arthur Shen hervorstemmt. Erst Klarinette, dann Fagott erbeben fremd zu Harfe und Cello, wenn die schwarze Tituba (Lona Culmer-Schellbach) als Initiatorin der Mädchentänze auftaucht. Und es gibt ein seltenes dissonantes Aufrauschen, wenn Proctor sich ausliefert. Ward ist nirgends kühn, aber erzählerisch und weiß Gefühle zu wecken. Und Christopher Hein am Pult treibt das Orchester abwechslungsreich in dieser spätromantischen Ästhetik voran.

Szenisch bleibt das sonst so spielfreudige Hausensemble, erweitert um Studentinnen der hannoverschen Musikhochschule, unterfordert. Gut mitvollziehbar ist die Produktion aber in jedem Fall, dank der Sänger geht sie phasenweise auch unter die Haut. Viel Applaus und Bravos.