Foto: Kölner Klangköche bei der Arbeit. © Matthias Baus
Text:Andreas Falentin, am 3. Mai 2013
Am Anfang brodelt, blubbert und zischt es in dem zylindrischen Gebilde im Bühnenhintergrund. Dann öffnen sich Türen. Drei blaue, merkwürdige Gestalten kommen heraus und beginnen die unregelmäßigen, grünen Palisaden, mit denen der Zuschauerraum umgeben ist, mit Kochlöffeln zu bearbeiten. Sie setzen den ganzen Raum in Vibration, man meint förmlich zu sehen, wie sich Schallwellen im Alten Pfandhaus ausbreiten.
Grundlage dieser Uraufführung ist keine Partitur, kein Libretto, ‚nur‘ eine Idee. Die Fee Chorlanda hat das Rezeptbuch für originelle Klänge verlegt. Und so müssen die Klangköche Crescendo, Andante und Tremolo eigene entwickeln, denn „die Welt braucht frische Klänge“. Die drei machen das mit Küchenutensilien, vom Spaghettibündel bis zum riesigen alten Kochtopf. Sie erzeugen Morgen-, Mittags- und Nachtklänge. Irgendwann geht ihnen die Klangfantasie aus und die Fee Chorlanda sinkt traurig in Schlaf unter einer Plexiglashalbkugel. Erst durch Bündelung aller Kräfte der drei wacht sie wieder auf. Freude. Feier. Schluss.
Der narrative Rahmen ist lose gesteckt. Hier geht es um anderes. Man kann fast von einer Schule des Hörens sprechen. Fast-Faust-Preisträger Rüdiger Pape hat in der bunten, seltsam poetischen Ausstattung von Flavia Schwedler vor allem eine lineare Reizstruktur geschaffen. Die haptische, rhythmische Bearbeitung der Küchengeräte wird nie Krach. Immer wieder gibt es kleine, trennende Pausen. Die Fee Chorlanda, der Maike Raschke reinen A-Capella-Gesang schenkt, ermuntert sogar nachdrücklich dazu, Stille akustisch wahrzunehmen. Optische und akustische Reize überlagern sich nie, überlappen sich selten. Leise wird konterkariert durch ‚leiser‘. Dieser Theatervormittag trägt das pädagogische Potential eines kompletten Grundschuljahres in sich, ist eine spielerische und instruktive Fantasie über Ton und Melodie, Geräusch und Klang.
Natürlich bedeutet eine so ausgerichtete Stückentwicklung im Musiktheater, zumal für Vorschulkinder, ein immenses Wagnis. Unser täglich Brot heißt Reizüberflutung und viele Kinder müssen es schon in sehr jungem Alter zu sich nehmen. Rüdiger Pape und das Team der Kinderoper verfolgen ein sehr subtiles, deutlich ausformuliertes ästhetisches Konzept, ohne Netz und doppelten Boden, also ohne Mitmach- und Animationsteile. Sie kalkulieren damit das Risiko ein, dass einzelne Aufführungen auch mal schief gehen, dass einzelne Kinder (und Erwachsene) oder ganze Zuschauergruppen mit der Anmutung genau hinzuhören, die Stille um den Klang wahrzunehmen – und das alles ohne Soundbett drunter überfordert sein werden. „Frische Klänge braucht das Land“. Und Mut zum Risiko braucht es auch. So betrachtet ist diese kleine, charmante „Zauberküche“ eine rebellische Großtat.