Tim Weckenbrock, Elias Baumann, Khalil Fahed Aassy und Franziska Roth in „Zwei Herren von Real Madrid“

Höfliche Herren

Leo Meier: Zwei Herren von Real Madrid

Theater:Theater Oberhausen, Premiere:15.01.2023 (UA)Regie:Maike Bouschen

Fünf Spielorte hat Franziska Isensee (Bühne und Kostüme) auf die breite Bühne des Studios gestellt: Aufgestellte Betten oder Peepshow-Schaufenster oder Playstation-Spielfelder oder einfach Stationen des Dramas. Die zwei Hauptfiguren in Leo Meiers beim Heidelberger Stückemarkt mit dem SWR2-Hörspielpreis ausgezeichneten und nun am Theater Oberhausen uraufgeführten Stücks „Zwei Herren von Real Madrid“ kommen sich in der mittleren Station beim Steineflitschen im Park nahe; im schüchternen Dialog kommen sie schließlich darauf, dass sie ja beide als Mannschaftskameraden beim wiederholten Championsleaguesieger Real Madrid tätig sind. Das wundervoll zarte und absurde Gespräch ist reichlich aus der Zeit gefallen. Ionesco und Beckett klingen im Text des jungen Autors an – und doch findet er einen eigenen Ton. Der Mittelfeldspieler wie der Stürmer sprechen voll Zärtlichkeit und ausgesuchter Höflichkeit, und doch wissen sie über ihre herausgehobene Rolle im großen Spiel. Das Gespräch bleibt wunderlich im Ungefähren und beschreibt doch präzise eine konkrete Spannung.

Kein einfaches Thesenstück

Tim Weckenbrock und Khalil Fahed Aassy wirken in einer Mischung aus Vereins-Anzügen und Strampelanzügen scheu und eingebildet, schüchtern sichern sie ihre prekären Rollen wiederholt mit Choreografie-ähnlichen Gesten ab. Auch sonst vertraut die Inszenierung von Maike Bouschen dem kryptischen, humorvollen und widerborstigen Text. Das Thema Homosexualität im Fußball beschreibt Meier charmant und nicht monothematisch: mit Figuren aus der Familie des Stürmers oder Vereinsmitarbeiterinnen wird auch der Kommerz im Fußball satirisch angetippt; so fungieren die Spieler etwa bei einer Pressekonferenz auch als Sprechpuppen zum Vereinssponsor „Emirates“.

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Eigentlich geht es in „Zwei Herren von Real Madrid“ aber um den Umgang mit dem Tod. Und wer könnte dafür eine bessere Projektionsebene sein als unsere Fußballgötter. Sergio Ramos, der rauhbeinige Verteidiger und ehemals Kapitän von Real, gibt dem heimlichen Paar seinen Segen, ist aber vor allem davon umgetrieben, dass seine Frau ihn über die menschliche Sterblichkeit aufklärte. Beim Bildungsurlaub in Athen stellte – darüber berichtet er in der Pressekonferenz, in der das Outing der beiden Kollegen nicht zum großen Skandal gerät – er fest: „die akropolis wird immer da sein, genau wie die sonne, das ist klar, aber ich sergio ramos, werde irgendwann nicht mehr da sein, wie meine oma.“ Dabei hatten doch alle gesagt, „wir hätten uns mit drei champions league titeln in folge unsterblich gemacht.“

Immer die Form wahren

Dieses alternative Outing von Elias Baumann gerät ähnlich komisch und berührend wie manch andere Szene der achtzigminütigen Uraufführung. Auch Samia Dauenhauers Trauerperformance als Pastorin bei der Beerdigung der Mutter des Stürmers ist lustig und verwirrend. Franziska Roth agiert als Reals Pressesprecherin wie als nervige Mutter ebenfalls präsent und präzise. Die eigenwillige Eleganz des Textes kommt in Oberhausen zum Strahlen. Zu sehen ist die gelungene Uraufführung eines schwer zu fassenden, gedanklich reichen und sprachlich sensiblen Stücks mit einem rundum überzeugenden Ensemble.

Am Ende verabschiedet sich das frische Paar am Flughafen – sie sind rechtsaußen auf der Bühne angelangt –, da der Stürmer weiter zieht zu Paris St. Germain. Auch hier zeigen die Herren bei aller Gefühlsintensität eine ausgesuchte Höflichkeit; sie wahren die Form und bauen einen Schutzwall um ihr Innerstes. Diese zwei außergewöhnlich sparsamen Fußballer sind extrem einsame Menschen, die mit Hilfe von Höflichkeit und wiederholter Gestik das Gesicht wahren. Selbst das rotzende Fußballer-Spucken wird bei ihnen zum Teil der stilvollen Choreografie ihres Lebens.