Foto: "Ruhm" am Schauspielhaus Bochum © Diana Küster
Text:Isabell Steinböck, am 12. Januar 2015
Sie sehen aus wie Jugendliche, die in Schuluniform auf der Straße lässig ihr Revier abstecken. Die einen rangeln miteinander, andere knutschen, irgendwann klettert einer auf ein Metallgestell (Bühne: Berit Schog) und tritt von oben auf Köpfe herab. Es geht um Machtverhältnisse, um die Dominanz Weniger über Viele und um ihre zweifelhafte Berühmtheit. Wenn sie sich animalisch grunzend und quietschend hinter Gitterstäben begaffen lassen, wirken sie hilflos wie Tiere im Zoo.
„Ruhm“ nennt sich dieses erste Tanztheaterstück von Neco Çelik, das der Regisseur mit „Renegade in Residence“ in den Bochumer Kammerspielen zur Uraufführung brachte. Der türkischstämmige Künstler hat schon manches Experiment gewagt, machte sich einen Namen als Filmregisseur, feierte Erfolge im Schauspiel und wurde für seine erste Opernregie „Gegen die Wand“ (von Ludger Vollmer an der Oper Stuttgart ) mit dem deutschen Theaterpreis „DER FAUST“ ausgezeichnet. Nun also Tanz, eine Kunstform, in der Neco Çelik wohl am wenigsten zu Hause ist. Entsprechend distanziert er sich von Choreographie, Tanz bilde nicht den Ausgangspunkt für sein Stück, ist im Programm zu lesen; sein Rechercheprojekt versteht er als Experiment.
Tatsächlich wird Choreographie kaum dramaturgisch wirksam. Emotionen spiegeln sich im Gesichtsausdruck des bärtigen Solotänzers Alexis Fernandez Ferrera, der als eitle, sich selbst inszenierende Diva im roten Abendkleid die Verletzlichkeit eines Außenseiters ausstrahlt. Çelik schreibt ihm einen kuriosen Mix aus Ballett, Ausdruckstanz und traditionell anmutenden Tanzbewegungen auf den Leib, der in Kontrast steht zu den stampfenden Bewegungen des sechsköpfigen Hip-Hop-Ensembles; passend dazu Anna Sudas elektronische Live-Musik.
Wie Bilder stellt er die Tanzästhetiken nebeneinander, vieles wiederholt sich, Konfrontation beschränkt sich zunächst auf hämisches Lachen und abweisende Körperhaltung. Man zeigt sich, tritt jedoch kaum miteinander in Kontakt, ähnlich wie in „Battles“, den Streetdance-Wettbewerben, die manche berühmt machen, andere nicht. Das geht in weiten Strecken auf Kosten des Spannungsbogens wie auch des Tanzes; das gesamte Ensemble bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Dass Neco Çelik zudem mit Ironie arbeitet, wenn er Ferrera als lächerlich eitle Diva inszeniert und das Ensemble als stereotype Tanzmaschinen auftreten lässt, nimmt dem Stoff den nötigen Ernst.
Dagegen stehen Momente, in denen sich Solist und Gruppe einander nähern, wenn Bewegungsmuster sachte die Seiten wechseln und der stolze Ferrera sein Kleid ablegt, um sich mit Macho-Attitüde zu behaupten. Fronten weichen auf, kaum merklich setzt sich der Einzelkämpfer durch. Am Ende bekriegt sich die Gruppe; das rote Kleid, Symbol für Ruhm und Hochkultur, will plötzlich jeder tragen. Der Solist lächelt zum ersten Mal, triumphiert wie ein Rattenfänger über die tumbe Masse, gibt die Gier nach Berühmtheit weiter – ein starker Schluss.