Foto: Puppenspieler Leo Mosler mit der Figur des Hirtenjungen Santiago in Paulo Coelhos „Der Alchimist“ an der Bremer Puppenbühne Theatrium. © Eva Swoboda
Text:Jens Fischer, am 29. April 2011
Träumst du noch dein Leben oder lebst du schon deinen Traum? So honigsüßes Wellness-Denken legt Paulo Coelhos Bestseller „Der Alchimist“ nahe. „Esoterischer Quark“ – wie es gleich zu Beginn der Dramatisierung durch Regisseurin Henrike Vahrmeyer heißt. Gemeint ist durchaus der zum Klischee banalisierte magische Realismus, das unzweifelhafte Nahen einer wundersamen Erlösung.
Premiere feiert die nun ausgerechnet im Puppentheater. Äußerlich geht’s um die Pilgerreise des Hirtenjungen Santiago von Spanien über Marokko, innerlich zur Entdeckung des eigenen Selbst – wobei ein literarisches Urthema trivialisiert wird: die Suche nach metaphysisch gesicherter Identität. Als Tischmarionette ist dieser Santiago ein naiv staunender Segelohren-Andalusier, der als Sinnsucher-Archetypus ganz prima funktioniert, so dass jeder Betrachter sich einfühlen, nach Lust und Laune draufprojizieren kann. Geleitet, geradezu zärtlich vorgeführt wird die Figur von Puppenspieler Leo Mosler, der zudem einen Alchimie-Professor spielt.
Dieser soll im Bühnenbildlaboratorium die Erleuchtungspraxis seiner Wissenschaft mit der Santiagos, die Transmutation niederer Metalle mit der Veredelung des Menschen parallelisieren: vom Blei zum unsterblichen Golde, oder zurück zur prima materia – vom Erkenntnisdunkel durch leidvolle Prüfungen, symbolischen Tod und gewandelte Auferstehung zu einer neuen, göttlichen Existenz.
Dank Vahrmeyer wird daraus aber keine belehrende New-Age-Schnulze, sondern das herzlich selbstvergessene Spiel zweier großer Jungs auf dem Dachboden ihrer Phantasie. Zu Mosler gesellt sich ein Musiker, der klanglich Räume öffnet, mit Pop-Hits kommentiert, ironisch brachial eine Bassdrum schlägt. Während aus Altpapier Mitspieler, aus Federn Vögel, mit Stabfiguren und Schatten die Möglichkeiten des Puppenspiels vorgeführt werden. Und beschreibt Coelho seitenlang eine Schlacht, kocht Mosler einfach roten Tee – und hängt statt des Heerführers den Teebeutel auf. Als zusätzliche Reflexionsebene sind Auseinandersetzungen der beiden Künstler über das Buch, die Inszenierung eingezogen. Von der Handlung bleiben so nur Eckdaten, von der Sinnsucher-Reise nur Stationen, vom Puppentheater aber entfaltet sich der ganze Zauber. Nur die Interaktion von Mensch und Figur könnte optimiert werden. Mosler ist als eigenständiger Schauspieler seinen Figuren nicht gewachsen, die spielt er einfach besser als seine Alchimisten-Rolle. Vielleicht ist dieses Ungleichgewicht aber auch gerade das Erfolgsgeheimnis, das Mosler & Co. animiert, sich vom Theatrium zu emanzipieren. Im Herbst eröffnen sie ihr eigenes Figurentheater in der Hansestadt.