Und so startet der Abend zunächst als ruhig vorgetragene Lesung, untermalt mit Bilddokumenten aus der Kindheit und Jugend des späteren Massenmörders. „Der junge Adolf hatte es nicht leicht … Darf man das sagen? Ist das politisch korrekt? Oder landen wir damit zu sehr in der ,Verständnis für Addi‘-Ecke?“ Die Antwort hierauf bleibt dem Publikum selbst überlassen. Nicht aber die Überprüfung der historischen Fakten, die erwartungsgemäß an mehr als einer Stelle leicht von Hitlers Eigenlob abweichen. Und auch Norman Stehr fällt im Laufe des Abends immer mehr aus der Rolle des neutralen Vorlesers und mutiert dank hoher Bühnenpräsenz zum rhetorisch geschickten Verführer, der das Publikum keineswegs nur zum Mitklatschen motiviert. Bei seinen mit unschuldigem Lächeln geträllerten Rekrutierungsparolen für den Kampf gegen die Juden gelingt es ihm sogar, einer Zuschauerin auf die Frage „Sind Sie bereit?“ ein fröhliches Nicken zu entlocken. Eine Reaktion, über die sie anschießend zum Glück selbst ein wenig zu erschrecken scheint.
Parallelen zum Heute
Gerade in solchen Momenten offenbart die Produktion jedoch ihre größten Stärken. Wenn die historische Distanz sich verflüchtigt und Parallelen zu Volksverhetzern unserer Tage überdeutlich werden. Dazu passt es dann, dass die Musik von Dean Wilmington nur selten klassischen Broadway-Konventionen folgt oder im Berlin der 1920er wildert. Da werden zwar auch mal die Comedian Harmonists zitiert, ebenso wie das in diesem Kontext beinahe unvermeidliche Deutschlandlied und Hitlers Idol Richard Wagner. Daneben entdeckt man aber immer wieder anachronistisch eingeworfene Anklänge an Synthie-Pop, ein bisschen Neue Deutsche Welle-Feeling und Lounge-Jazz.
Lachmann und Wilmington konzentrieren sich in ihrer revuehaften Text-Musik-Collage vor allem auf Hitlers Aufstieg zur Macht und gönnen dem Publikum dabei bewusst auch etliche Momente zum Schmunzeln. So etwa, wenn Norman Stehr mit trockenem Humor und stimmlicher Wandlungsfähigkeit original erhaltene Fan- und Liebesbriefe an den Führer vorträgt. Trotzdem bleiben einem die rassistischen Parolen natürlich nicht erspart, die schon in stark gekürzter Fassung für Unbehagen sorgen. Brutal herausgeschleudert und vielfach gedoppelt durch Tonzuspielungen, die sich zu einem bedrohlichen Stimmengewirr vereinen, bei dem die Worte zunehmend verschwimmen und am Ende nur noch undefinierter, blanker Hass übrigbleibt. Ein eindringliches Finale, dessen erneut zur Ruhe findender Epilog keineswegs plump den mahnenden Zeigefinger erhebt oder sich selbst auf die Schulter klopft, sondern das Publikum über den Theaterabend hinaus zum Nachdenken anregt.