Über der kargen Bühne von Dorin Gal (der auch die edlen Kostüme verantwortet) schwebt symbolschwer ein dunkler Riesenring, senkt sich zuweilen und kippt in die Schräge. Mit stolzgeschwellter Brust, hünenhaft und blondgelockt, schreitet Admill Kuyler als Siegfried herbei: ein Held, wie er im Buche steht. Er wird von seinen Mannen bald in die Lüfte gehoben, bald besiegt er mit lässigem Handschlag den Drachen (aus wehenden Tüchern), vollführt leichtfüßige Pirouetten und kraftvolle Sprünge, bis er einen langwierig heroischen Tod stirbt. Seine zarte Kriemhild (Bruna Andrade) ist eine weniger glatte Figur, emotional ausdrucksstark und wandelbar. Barbara Blanche verkörpert als Brünhild einen Wildfang mit spitz gegelter Irokesen-Mähne, ein borstiges Mannsweib, wild um sich schlagend im Moment ihrer größten Brüskierung durch Kriemhild (der Präsentation ihres Gürtels). Gemeinsam mit dem zwergenhaften Gunther (ein niedliches Weichei: Flavio Salamanka) und dem stählernen Hagen (Flavio Salamanka) bilden sie das Solistenquartett, das durch vier mystische Wesen ergänzt wird: Pferd (die Stärke der Brünhild), Krähe (das Listige an Hagen), Adler (Symbol der Kriemhild) und eine zierliche Tänzerin (als Gegenpol zu Siegfrieds Männlichkeit) tauchen meist willkürlich in den Szenen auf und sind mit ihren Tiermasken ebenso hübsche Staffage wie das Corps de ballet: alles prächtig anzuschauen, technisch sauber und kraftvoll getanzt – und doch von inhaltsleerem Pathos.
Womöglich auch, weil die Musikauswahl von Wagner, Franz Liszt und John Adams im Stückwerk nicht so recht passen will. Das rein instrumentale „Ring“-Arrangement kittet die bekanntesten Motive aneinander – inhaltliche Bezüge zum Bühnengeschehen, wie sie Wagners Leitmotivik herstellt, darf der Zuschauer aber nicht mitdenken. Sonst wird’s verquer, gar stellenweise unlogisch. Christoph Gedschold lässt es aus dem Graben gewaltig brummeln, doch Tänzer sind ja keine Sänger, da freut viel Fortissimo…
Wie man sich dem wohl wichtigsten Heldenepos deutscher Literatur, dem „Nibelungenlied“, weitaus eindringlicher und tänzerisch spannender nähern kann, hatte Mario Schröder letztes Jahr in Kiel mit seinem gleichnamigen Ballettabend gezeigt. In Karlsruhe war der „Siegfried“ jedenfalls kein Signal in Richtung stilistischer Erweiterung des Balletts.