Mehr noch als Tschaikowskis Oper „Die Pantöffelchen der Zarin“, welcher ebenfalls Gogols Erzählung aus dem Jahr 1842 zugrunde liegt, ist Nikolai Rimski-Korsakows „Die Nacht vor Weihnachten“ ein Saison-Poem für Erwachsene. Ebenso wichtig wie das christliche Weihnachtsfest sind in dieser „wahren Geschichte und einem Lied zur Wintersonnenwende“ heidnische Mythen, um die Rimski-Korsakow das von ihm selbst verfasste Textbuch erweiterte. Der Teufel und die Hexe Solocha verlieren ihre Macht. Zum Schluss nimmt die stolze, spröde Oksana den sie zum Herzerweichen anschmachtenden Schmied Wakula also doch, nachdem er sie mit den von ihr geforderten Statussymbolen beglückt hat.
Weder in Russland, wo Rimski-Korsakow mit der Zensur vor der Uraufführung 1895 wegen der in seiner Oper auftretenden namenlosen Zarin Scherereien hatte, noch nach der deutschen Erstaufführung 1940 kurz vor dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion konnte sich die Oper durchsetzen. Die Premiere in Frankfurt, kurzfristig von voller Platzkapazität auf Schachbrettmuster umgestellt, geriet zu einem riesigen und heftig bejubelten Erfolg. Das Publikum zeigte sich begeistert von dem Werk und seiner fulminanten Realisierung. Besetzung, Inszenierung und musikalische Leistung rückten Rimski-Korsakows Oper ins bestmögliche Bühnenlicht.
Der Mond und sein Einfluss auf die Menschen
Einmal mehr gelingt es Christof Loy und seinem Bühnenbildner Johannes Leiacker, eine Handlung und deren hier ins Übersinnliche reichenden Metaebenen in klare, poetische und vitale Bilder zu setzen. In dem ukrainischen Dorf Dikanka sind die hierarchischen Ebenen dank der Kostüme von Ursula Renzenbrink glasklar erkennbar. Langsam entwirrt sich zu Beginn die Figurengruppe in der bühnengroßen Box. Blitzblank ist alles, vor allem die wenigen und mit klarem Sinn gesetzten bemalten Möbel und weihnachtlichen Accessoires. Und es glitzern die Sterne an den weißen Wänden. Ein riesiger Meteorit ragt herein – das Regieteam spricht vom Mond. Das abschreckend große Gestirn zeigt neben der Sphärenharmonie auch bedrohlichen Einfluss auf die so schön herausgeputzten und ihre Abhängigkeit von der Natur vergessenden Menschen. Aber alles bleibt märchenhaft. Nichts verschärft sich zur Warnung vor der Ökoapokalypse, selbst wenn Sinnlichkeit und Vereisung nahe beieinander liegen. Diese Bilder fordern dazu heraus, tiefere Schichten hinter der schönen und manchmal etwas glatt wirkenden Musik Rimski-Korsakows zu erlauschen. Die Eintracht Oksanas und Wakulas ist schwer erkämpft. Hier sieht und hört man das.