Foto: Jules Massenets "Esclarmonde" am Anhaltischen Theater Dessau. Angelina Ruzzafante (Esclarmonde), Sung-Kyu Park (Roland), Damen und Herren der Statisterie © Claudia Heysel
Text:Ute Grundmann, am 29. Mai 2013
Der Kaiser von Byzanz steht auf einem hohen, goldenen Sockel und verkündet dem Volk, das sich in die Nischen des Saales drückt, seinen Abschied von der Macht. Die soll seine Tochter Esclarmonde übernehmen, die, ganz in Weiß und verschleiert wie eine Braut, aus der Versenkung auf die Höhe des Sockels gefahren wird. Wie eine gravitätische Haupt- und Staatsaktion beginnt so im Anhaltischen Theater Jules Massenets Oper „Esclarmonde“, und diesen Gestus des Majestätischen und des tragisch Umflorten können Werk und Inszenierung in den folgenden drei Stunden nie ganz ablegen.
Vor 124 Jahren wurde die Oper in vier Akten, einem Prolog und einem Epilog in Paris uraufgeführt. Und erst jetzt kam sie zum ersten Mal auf eine deutsche Bühne, in Dessau. Ausgegraben hat man das Werk auch mit Blick aufs Wagner-Jahr: Es ist ein Märchen (wie „Die Feen“) und hier ist es der Mann, der die angebetete Kaiser-Tochter nicht befragen, nicht einmal ihr Gesicht sehen darf. Eingebettet ist diese Geschichte von Liebessehnsucht und Verzicht in eine verwickelte, verzweigte Geschichte von Krieg und viel bangendem Volk, von einem siegreichen Ritter – eben jener Roland, den Esclamonde nicht lieben soll – der die als Siegestrophäe angebotene Königstochter ausschlägt, weil er ja heimlich gebunden ist. Dann gibt es da noch den Bischof, der für das Volk betet, Roland aber der Hexerei beschuldigt, nachdem er ihn in seinem Liebesschmerz belauscht hat.
Regisseur Roman Hovenbitzer bringt das alles ziemlich ungebrochen auf die Bühne, mit viel Aufwand an Darstellern, Chören und Kostümen (Ausstattung: Tilo Steffens). Der zweite Akt schrammt dabei szenisch wie musikalisch ziemlich knapp am Kitsch vorbei: Es ist die heimliche, Traum- oder nur geträumte Hochzeit der Liebenden auf einer verzauberten Insel. Da schweben weißgekleidete Frauen über die Bühne, befreien den auf einem Schiff gefesselten Roland, schwingen Palmwedel zum „Göttlichen Moment“ der Hochzeit, von der Roland per Brief weg in den Krieg gerufen wird. Musikalisch ist das elegisch bis süßlich, viel Emotion in weitschwingenden Tönen. Großer Kontrast dann mit dem dritten Akt, mit aufgewühlten, kriegerischen Klängen und viel bewaffnetem Volk auf zwei Etagen und Auftritt des Bischofs mit einem Kindlein-Chor.
Dieser Gottesmann wird kurz darauf Roland an einer Folterwand die Beichte und damit sein Geheimnis abnehmen. In solchen Szenen des Verzweifelns, der Sehnsucht nach der scheinbar unerreichbaren Geliebten ist Sung-Kyu Park als Roland noch am überzeugendsten. Angelina Ruzzafante als Esclarmonde dagegen bietet alle Facetten ihrer Rolle – Herrscherin, Zauberin, Verliebte, Verzweifelte, Verzichtende – wunderbar, sie brilliert in einem guten Ensemble. Und erst ganz am Ende, in der gleichen Staats-Szene des Prologs, erlaubt sich der Regisseur eine winzige Brechung: Da erklimmt Roland die Stufen des Thron-Sockels, erreicht aber Esclarmondes ausgestreckte Hand nicht.