Foto: "Was ihr nicht sehen könnt" am Schauspiel Hannover © Katrin Ribbe
Text:Jan Fischer, am 23. Juni 2023
Die chilenische Regisseurin Manuela Infante eröffnet das Festival Theaterformen in Hannover mit „Was ihr nicht sehen könnt – eine Vampirgeschichte“. Ein etwas chaotischer Text, in dem sich lohnende Fragen zwischen sehr viel Meta-Schabernack verbergen.
Während das Unwettertief Lambert über Deutschland hinweg zieht, haben es die drei Vampire in den Technikeingeweiden des Schauspiel Hannover eigentlich ganz kuschelig. Zwar musste die Eröffnung des Festivals Theaterformen kurzfristig wegen des Regens ins Theaterfoyer verlegt werden, aber das Wetter passt zumindest ganz gut zum Eröffnungsstück „Was ihr nicht sehen könnt – eine Vampirgeschichte“. Denn immer wieder stürmt es dort – oder besser: Immer wieder stürmt es nicht. Als die Inszenierung beginnt, bauen die drei gerade die Kulissen einer Inszenierung ab, in der es um einen Windpark gehen soll, den gibt es aber leider nicht mehr, weil es keinen Wind mehr gibt. Und damit auch keine Energie. Energie haben die drei von der Nachtschicht auch nicht: Sie sind Vampire, trockene Vampire, die kein Blut trinken, sondern Kunstblut, aber natürlich angereichert mit reichlich Eisen. Und sichtbar irritiert, dass sie nicht mehr zu den Unsichtbaren gehören, sind die drei auch: „Sie sollen uns nicht sehen“, sagt einer von ihnen zum Publikum. „Wir sind nicht die heutige Vorstellung“, heißt es ein anderes Mal.
Eine Theaterverweigerung
Manuela Infante eröffnet mit „Was ihr nicht sehen könnt – eine Vampirgeschichte“ das Festival Theaterformen. Und liefert, so sieht es jedenfalls zunächst aus, eine Meta-Meditation aus der Technikabteilung, eine Theaterverweigerung, die dann natürlich trotzdem Theater wird. Aber das verpufft schnell und wird zu etwas anderen: Denn das Vampirsein ist für die drei noch etwas anderes: Der Punkt, an dem sie verletzlich sind. Das, was sie als Außenseiter definiert, als anders. Das, was sie kontrolliert, aber auch definiert. Das Vampirsein der drei wird damit zu vielem: Zur Krankheit, zur Identität, zur Wunde, zum Abgrenzungsmerkmal. Zu etwas, jedenfalls, mit dem die Gesellschaft um sie herum nichts anfangen kann.
Nicht gesellschaftsfähiges Leiden
Und so wird, während die drei in ihren Techniktruhen schlafen, sich durch Echoeffekte schreien, die Windräder im Bühnenboden verschwinden und der Mond aufgeht, „Was ihr nicht sehen könnt – eine Vampirgeschichte“ zu einer Geschichte von nicht gesellschaftsfähigem Leiden. Und der Freiheit, die darin liegen kann – denn wer krank ist, von dem erwartet das System weniger, der kann – und muss – sich mit sich selbst beschäftigen. Und trotzdem, so sieht es am Ende aus, sind die im Dunkeln doch irgendwie auch die schlecht bezahlten Handlager derjenigen, die – siehe Windräder – die Zukunft abbauen.
Manuela Infante liefert mit „Was ihr nicht sehen könnt – eine Vampirgeschichte“ einen etwas chaotischen Text ab – über Motivketten wandelt sich über die Inszenierung hinweg Bedeutung: Was sind Vampire? Was ist Krankheit? Ist Außenseitertum eine Befreiung oder nicht? Am Ende aber wirkt die Inszenierung zwischen Meta-Schabernack und ihren Themen Zukunft, Krankheit, Außenseitertum eher verloren und inkohärent. Obwohl sicherlich irgendwo da drin lohnende Fragen über die Armeen unsichtbarer Unfreier stecken, die alles – nicht nur im Theater – einerseits am Laufen halten, andererseits sich aber nicht aussuchen können, was das denn genau ist.