Foto: Tänzer der Dresden Frankfurt Dance Company in Jacopo Godanis "The Primate Trilogy" © Dominik Mentzos
Text:Melanie Suchy, am 2. Oktober 2015
So sieht also der Neustart aus. Düster. Er wird kühl und knapp beleuchtet, die Bühne im Bockenheimer Depot ist schwarz und leer, die Tänzer tragen ebenfalls Schwarz, aber ein bisschen transparent. Alle das gleiche. Gesamtdesign: Jacopo Godani. Sie tanzen los und halten an. Tanzen weiter, halten wieder an, ihre Finger wirken wie lange Krallen, die sie zwar nicht gegen Feinde richten, aber wie sie so an geknickten Handgelenken über den Kopf, neben und vor den Körper gehalten werden, zeigen sie an, dass diese Wesen nicht zum Streichelzoo gehören. Überhaupt hat diese „Primate Trilogy“ etwas Wehrhaftes. Jacopo Godani, der die Forsythe Company übernommen, fünfzehn neue Tänzer eingestellt und dann den Namen geändert hat in Dresden Frankfurt Dance Company, fährt eine Menge choreographische Ideen auf, als müsste er etwas beweisen. Kleine Gruppen, große, geballt nah beieinander oder in Reihen, in kurzen oder langen; Soli, Duette, Trios, Hinlegen, Aufstehen. Schnell, langsam. Das Blinzeln des Lichts, an, aus, an. Das alles ergibt nichts Ganzes. Schaut, was geht, scheint es zu sagen. Das ist viel, weil die Tänzer große Könner sind; aber das ist zu wenig an Gehalt, an Idee, an Kunst.
Die „Trilogy“ hat keine erkennbar getrennten drei Teile, nur die Tänzertrikots wechseln zweimal: die Wirbelsäulenapplikationen verschwinden, die Arme werden hell. Aus dem Unisex des Anfangs, der Horde, an deren Außenseite sich ein Paar, Mann-Mann, wie aus dem Nichts eine flüssig bewegte Zweisamkeit erfindet, wird später eine zuweilen geschlechtergetrennte Angelegenheit, wenn die Frauen nun Spitzenschuhe tragen, eine eigene Gruppe bilden und einzeln bei Pas de deux vom jeweiligen Mann gestützt, geschleift, übern Rücken gezogen oder übers Knie gelegt werden. Das sieht sehr exquisit aus in seinen einfallsreichen Variationen. Auch wenn die gestreckten Beine der Frauen wie Uhrzeiger geführt werden, als seien sie Dinge. Hier liegt das Problem.
Tanzmaschinen, denkt man irgendwann. Das könnte das choreografierte Statement sein: über die Entwicklung des Affen zum Menschen zum mechanisierten Wesen. Doch man sieht die Menschen kaum und wird deshalb müde. Szene folgt auf Szene, zwar geschickt verfugt mit Überlappungen und dezenten Auf- und Abtritten ins seitliche Dunkel des Depots, doch die Neugier erlahmt. Man bemerkt noch, dass die elektronische Musik von 48nord (Ulrich Müller und Siegfried Rössert) sich verändert, die entfernt an Posaunen, Streicher und Schlagzeug erinnert. Erst erzeugt sie eine ohrenpeinigende permanente Anspannung, eine Art Bedrohung aus tiefem Bumpern, Rauschen, Tröten, Spratzeln; dann wird sie breit wie ein Lavasee, dann feierlich, schließlich jazzig. Sie fügt sich in Godanis Szenen-Licht-Wechsel ein, kommandiert aber wiederum den Tänzern Impulse mit scharfen Akzenten und am Ende mit einem munteren Beat. Bis sie sich fallen lassen, alle gleichzeitig. Ausgeschaltet. Dann ist die „Trilogy“ aus. Warum auch immer. Denn in früheren Szenen standen Liegende immer wieder auf.
Oder wer lange stand, mit dem Rücken zum Publikum, regte sich wieder, was an ballettoiden Posen eingefroren war, löste sich und wurde wieder schnell. Godani reizt den Effekt von Anhalten oder Verlangsamen und Lospreschen so häufig aus, dass er erwartbar wird. Mechanisch, und zwar von Anfang an. Klar, er will offenbar alles, was eine Geschichte sein könnte, vermeiden. Kühle! Keine Psychologie, keine Rollen. Kein Wollen, dem man empathisch nachfühlte. Das Schönste sind deshalb die wenigen Soli. Weil die Tänzer dann sichtbarer werden, einen Hauch von Freiheit verbreiten, von Individualität, nur mal so als Möglichkeit. Das hat aber keine Folgen, nie. Nur hat der Betrachter Godanis ballettfundiertes zeitgenössisches Bewegungsvokabular ein wenig besser verstanden, das eine immense Kraft aus dem flexiblen Becken holt. Die Oberkörper wellen, die Kurven laufen bis in die Arme und Hände heraus, die Köpfe schlackern mit oder führen mal selber das Schlängeln an. Diese Körper sind so eins mit sich, so unermüdlich, selbst im Stillstand, dass sie eine Weile lang faszinieren. Aber was sagen sie eigentlich?