Ilse Ritter, noch nicht 70, Roland Renner und Countertenor Jochen Kowalski, unter 60, agieren in Johann Kresniks Altentheater solidarisch neben (zum Beispiel) der 85-jährigen Jutta Vulpius, die schon zu Walter Felsensteins Entdeckungen im alten Ost-Berlin gehörte; und die „jungen Hüpfer“ sowie Andreas Seifert und Cornelia Kempers als Pflegekräfte in der von der Abwicklung bedrohten Alten-Residenz helfen mit bei der Stück-Struktur. Die baut kaum durchgehende Texte auf – die wenigen fixierten Passagen von Christoph Klimke, vorzugsweise über die kulturelle Ignoranz der Politik, sind von kaum unterbietbarer Dürftigkeit.
Intensiver und auch amüsanter wirken allemal die lebendigen Erinnerungen der heute Beteiligten – und, natürlich, der Chor-Gesang. Die liebliche Altersmilde in Kresniks Arrangements (der Choreograph steht selber im 74. Lebensjahr) bricht auch nur einmal auf – als sich die Jugend persönlich zu Wort meldet.
Besser: zu Sprung und Schritt – zwei Ballett-Studierende lässt er plötzlich jugendliche Energie und erste Schritte auf dem Weg zu späterer Meisterschaft vorführen; aber derweil zerschneidet rechts vorn Osvaldo Ventriglia, der letzte Kämpe aus Kresniks einstiger Compagnie, Stück für Stück Hemd und Trikot, ganz so, als wär’s die alte, eigene Haut. Und während die Jungen letzte Sprünge zeigen, rollt von links Hidehiko Maki eine Kreissäge herein – denn weil auch Sich-Häuten nichts hilft gegen die Übermacht der Jugend, sägt sie sich einen Tanz-Fuß ab. Um aber weiter zu tanzen, auf Stumpf und Krücken; auch Jutta Vulpius bekommt so ein Double aus Schmerz verpasst – Christus weiblich, mit blutender Scham, als Christa am Kreuz sozusagen, aus dem Bühnenboden herauf gefahren. So erzählt Kresnik von der Flucht vor dem unabwendbar letzten Vorhang wie vom Nicht-Abschied-nehmen-Können.
Am Schluss scheint die Decke der Villa einzustürzen, eins der Schminktischchen vom Anfang fährt jetzt einsam brennend über die Bühne – Zukunft sieht anders aus; Kresnik sieht schwarz für sich und all die alten Freunde. Hoffentlich behält er Unrecht, der große Alte.