Die Figuren hingegen sind genau und liebevoll gezeichnet, die „Gerechtigkeit“ des Autors gegenüber den Argumenten und Zielen aller elf Figuren ist bemerkenswert. Es entsteht ein, oft komisches, Panorama einer diffusen Gesellschaft, die sich zwischen sozialer Utopie und Eigensinn aufreibt. In Anselm Webers Uraufführungsinszenierung wird dieser allgemeingültige Sinn von „Richtfest“ von Anfang an betont. Die Baugemeinschaftler sitzen in der ersten Reihe der Kammerspiele, wenn sie nicht auf der freien Fläche in einem noch frei gestaltbaren Raum (Bühne: Alex Harb) Ansprachen halten, Pläne präsentieren oder sich streiten. Die Begrenzung der Bühne zur Seite entsteht durch jeweils eine große weiße Papierbahn an den Seiten und nach hinten. Einen Akteur aus dem hervorragend zusammenspielenden Ensemble hervorzuheben, wäre sinnlos. Die Lebendigkeit des Spiels, die Offenheit des Raums und die Ausgewogenheit des Stücks reizen den Zuschauer fast dazu, mitzudiskutieren in dieser kleinen Gesellschaft. Denn letztlich behandelt „Richtfest“ nicht nur eine besondere Gruppe, sondern unsere Gesellschaft insgesamt. Relativ traditionell gebaut wirkt dieses Stück, und ist doch thematisch ganz zeitgemäß und exakt. Das Stück und seine Uraufführung schaffen durch genaues Handwerk ein klares Kunstwerk über unsere Gesellschaft. Da kann mancher Architekt (und viele Dramatiker) etwas lernen.