Foto: Georg Böhm © Philipp Ottendörfer
Text:Isabell Steinböck, am 26. November 2016
Der Zuschauerraum wirkt wie eine Black Box. In Gruppen separiert, sitzt das Publikum vor einer lamellenförmigen Wand, auf die Dokumentarfilme projiziert sind. Während Bilder von Hochhäusern, Eurozeichen, Panzern und Flüchtlingen über die Kulisse flackern, beobachtet eine unsichtbare Figur die Zuschauer von außen wie eine Art Big Brother. Ein Mann, der das Publikum zum Teil der Vorstellung macht, indem er es gezielt anspricht. Als er hinter einem Vorhang auftaucht, stellt er sich als Steve Zänke vor. Ein smarter Mann in grauem Anzug, der lässig Texte in sein Handy tippt, während an den Bühnenseiten weitere Videos laufen. Schauplätze sind Dresden, Berlin, Bielefeld: Hier führt Zänke eine Pegida-Demo an, dort schwenkt er eine Deutschlandfahne, lullt die Massen ein in Metaphern, Wortspiele, Allgemeinplätze.
„Formate“ ist der Titel einer Reihe am Theater Bielefeld, die Raum gibt für Experimente. So auch die Uraufführung „Der Auftrag“ von Konrad Kästner. Frei nach Friedrich Dürrenmatts gleichnamiger Novelle ist der Dokumentarfilmer in den Osten Deutschlands gereist und bringt, wie es bei Dürrenmatt heißt, ein Stück „Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter“ auf die Bühne. Ein multimediales Roadmovie, das die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und fiktionalem Theater verwischt, wenn es das Publikum hautnah mit Rechtspopulismus konfrontiert.
Aus Videos, journalistischer Berichterstattung und eigenen Texten gelingt ein Bühnenstück, das den Zuschauer tief hineinzieht in die Welt von Pegida, AfD und co. Mal bildet Zänke, alias Georg Böhm, nur ab, mal analysiert er. Was dabei zum Vorschein kommt, ist mitunter so naiv und unreflektiert, dass es beinahe schon wieder komisch wirkt. Etwa, wenn Männer vor einem leer stehenden Flüchtlingsheim um ein Lagerfeuer hocken und sich überlegen, Grundstücke in Syrien zu kaufen, weil die Wessis das damals im Osten nach der Maueröffnung „auch so gemacht“ haben. Oder wenn Zänke kolportiert, Bundeskanzlerin Merkel plane alle 500 Kilometer eine Autobahnmoschee für „Asylbetrüger“.
Aberwitzig wirken solche Statements, die sich nur allzu oft durch soziale Netzwerke weiter transportieren. Wie Medienpropaganda funktioniert, erklärt Kästners Protagonist so: „Das einzige, was zählt, ist die Sexyness der Emotion. StarkeBilder, großes Spektakel, tolle Atmosphäre. Medien sind Mythenmaschinen.“
Souverän gespielt und prägnant gefilmt, kommen markige Sprüche und Stammtischparolen auf die Bühne. Letztlich geht es um den kleinen, deutschen Mann, der in einer Wohlstandsgesellschaft lebt und sich dennoch benachteiligt fühlt. Der sich für tolerant hält, aber rechtsradikale Sprüche klopft. Der unreflektiert Meinung ins Netz stellt und Befriedigung daraus zieht, dass er endlich einmal wahrgenommen wird, wenn er bei Facebook und Co „Likes“ kassiert.
Klug konzipiert, gelingt ein erschreckend authentisches, zeitgemäßes Gesellschaftsstück, das Fragen stellt und einiges erklärt. Ein Doku-Drama, das bewusst auch Jugendliche anspricht – sehenswert.