Foto: Stefan Graf und André Willmund in "Eine Fahrt ans Mittelmeer" im Mainzer TiC Werkraum. © Bettina Müller
Text:Annette Poppenhäger, am 7. Juni 2011
Wer von uns würde schon darauf wetten, dass einmal einer in 60 Minuten vom Kongo aus in die „Festung Europa“, genauer: nach Mainz, gelangt? Eine aberwitzige, abstruse Vorstellung – ein Hirngespinst. In der Inszenierung von Johannes Schmit am Mainzer TiC ist diese Wette Teil einer Spielshow. Das Stück des 30-jährigen Autors Fiston Mwanza, der aus der Demokratischen Republik Kongo stammt, erzählt von einem jungen Mann, der mit Hilfe von Schleppern illegal in einem Flüchtlingsboot nach Europa kommt. Soweit der Plot. Die Inszenierung spitzt zu und verschärft sarkastisch das Ganze, indem sie die Form einer Fernseh-Spielshow wählt: zu bekannten Melodien von „Wetten, dass“ und „Dalli, Dalli“ wird die Flucht übers Meer zur „Außenwette“. Die digitale Zeitanzeige an jeder Wand zählt die Stunde rückwärts, die vier Spieler (Ulrike Beerbaum, Johanna Paliatsou, Stefan Graf, André Willmund), hochkonzentriert, geben abwechselnd den Moderator mit seinen vertrauten Bildschirmgesten.
Ein Plexiglaskubus in der Mitte des Raums ist Blackbox – „Afrika, Afrika“ – und White Cube in einem, ist sowohl Fernsehgerät als auch Kamera (Bühne, Kostüm und Co-Regie: Markus Wagner). Um ihn rennen die Spieler herum, brechen aus, stoppen; das stellt Spannung her, lädt die Atmosphäre gehörig auf und ist nur manchmal zu forciert. Spannend ist, wie die Darsteller in die Zuchauerreihen gehen und den Blickkontakt mit dem einzelnen Zuschauer suchen, halten und dabei wie in Zeitlupe Gesten ausführen, die mal sinnfällig sind und mal unerklärlich bleiben. Willmund sitzt zunächst als Schlepper im Inneren des mitunter bunt beleuchteten Würfels, raucht genüsslich Zigarre und präsentiert Mwanza-Text per Mikrofon. Als Flüchtling bzw. „Kandidat“ wird er am Ende mit allerlei Partyspaß (Konfettiregen, Luftschlangen) von den anderen begrüßt, doch da liegt er bereits zu Tode erschöpft am Boden. Das erinnert an das Wettunglück bei Thomas Gottschalk und die Originaldialoge, die jetzt im Gestus der TV-Promis gesprochen werden, lassen einen als Zuschauer nach Luft schnappen. Im Programmheft steht, dass die Texte der Moderationen vom Regieteam und dem Ensemble in der Probenzeit entwickelt wurden. Wetten, dass der Mainzer Abend so schnell nicht vergessen wird?