Foto: "Ein Sommernachtstraum" am Theater Augsburg © Kai Wido Meyer
Text:Manfred Jahnke, am 7. Februar 2016
Am Anfang stehen sie ganz nah an der Rampe und glotzen in das Publikum, das siebenköpfige Männerensemble des Theaters Augsburg – wie bei einer Thalheimer-Inszenierung, nur, dass hier das Glotzen nicht so lange ausgehalten wird wie beim Original. Und auch der Bühnenraum von Jennifer Hörr ist ein nach hinten fast spitz zulaufender, nach vorne offener geschlossener Kasten, die erhöhte Spielfläche eine Schräge. Das von vorne kommende Licht gibt den Gesichtszügen der Darsteller nicht nur geisterhafte Züge, sondern vergrößert auch ihre Schatten an den Wänden manchmal ins Überdimensionale. Darüber hinaus zwingt das Licht dazu, das Spiel nahe ans Publikum zu holen.
Sieben Männer spielen alle Rollen im „Sommernachtstraum“. Sie treten auf allen drei Ebenen (Athener Hof, Handwerker, Oberon) auf, so z.B. Klaus Müller als Oberon, Theseus und Peter Squenz, die jungen Liebenden sind zugleich auch die Handwerker. Da im geschlossenen Raum alle auch im Hintergrund der Bühne sichtbar bleiben, finden die Umzüge vor Publikum statt. Da genügen dann bei den eh knapp bemessenen Kostümen, auch von Jennifer Hörr, das Abwerfen kleiner Umhänge oder einfach das Herunterziehen des Kleides von Gregor Trakis, um sich von der Königin der Amazonen, Hippolyta, in Titania, die Gattin des Oberon zu verwandeln.
Die Regie von Christoph Mehler setzt auf ein schnelles körperbetontes Spiel, das sich nicht aus der Liebe, sondern allein aus der Geilheit speist. Entsprechend sexualisiert ist der Gestus dieser Inszenierung, die mit ihrem „Hähs“ und „Geil“ rüde scheinbar gegenwärtige Jugendslangs zitiert. Hier wird die eh schon von allen Romantizismen freie Übersetzung von Werner Buhss noch weiter verknappt und brutalisiert. Was sich auch in der Lautstärke dieser Inszenierung, die nur wenig leise Momente kennt, wo das Spiel zu sich selber kommen könnte, manifestiert: Wo keine Psychologie mehr notwendig ist, da müssen grelle Ausbrüche herhalten, mit Schreien und Greinen, was denn manchmal auch nur in trashigen Klamauk umschlägt, wenn z.B. David Dumas als Helena eine großen Grein-Solonummer abliefert.
Wenn denn sich der Wahnsinn der jungen Liebenden, der sich schon von Anbeginn der Raserei bedient, dem Höhepunkt nähert, fällt knallend ein Vorhang, auf dem surreal wirkende Bilder von Akten projiziert werden, die Seitenwände sind nun durchbrochen und von hinten strahlt ein starker Scheinwerfer Gegenlicht: Es tagt und die Liebenden werden vom Hofe im Wald entdeckt. Die Handlung scheint zu Ende, aber da wäre noch das Spiel von „Pyramus und Thisbe“ der Athener Handwerker mit einem von seiner transparenten Eselsmaske und überdimensioniertem Penisknüppel befreiten Zettel (David Dumas) als Zugabe. Und dann der Auftritt von Puck (Anton Koelbl), aber da ist kein „Wenn wir Schatten euch zu nahe kamen…“, sondern wieder nur ein stummes Anglotzen des Publikums.
Das „Glotzt nicht so romantisch“ (Brecht) hat Christoph Mehler dem „Sommernachtstraum“ wahrhaft ausgetrieben. Stattdessen gibt es das Spiel von der Geilheit des Begehrens in der hitzigen Atmosphäre einer Sommernacht.