Foto: Nächtliches Chor-Tableau im Erfurter "Sigurd" © Lutz Edelhoff
Text:Ute Grundmann, am 31. Januar 2015
Ein Liebesdrama mit Intrigen und Zaubertrank mitten im Krieg – so kommt in Erfurt die Oper „Sigurd“ des französischen Komponisten Ernest Reyer daher, inszeniert vom Intendanten Guy Montavon. Die zerschossenen, bröckelnden Schatten von Gebäuden bestimmen das Bühnenbild von Maurizio Balò, drüber schwebt ein nicht minder beschädigter Bogen. Die Personen in diesem Interieur dagegen sind prunk- und prachtvoll gekleidet – für eine Nibelungenoper ohne Nibelungen. Denn beim Komponisten Ernest Reyer (1823 – 1909) und den Librettisten Camile Du Locle und Alfred Blau gibt es keinen Kampf mit dem Drachen, keinen Nibelungenschatz, nur die Vierecksgeschichte zwischen Hilda (Kriemhild), Sigurd (Siegfried), Gunther und Brunehilde; die Königinmutter Uta ist zu Hildas Amme geworden, die auch für den Zaubertrank sorgt.
Deren wechselnde Seelenzustände nimmt schon die lange Ouvertüre vorweg, die von triumphierenden Pauken und Trompeten in düstere Ahnungen wechselt, von majestätischen Klängen zu sanften Streichern. Diese Gefühlswelten seiner Protagonisten schildert Guy Montavon in opulenten Bildern, mit Prunkgewändern, goldenen Brustpanzern und Schilden. So kriegerisch ausgestattet reiht sich der große Chor auch mal an der Rampe auf. Nur eine ist von dieser Pracht ausgeschlossen: Hilda (sehr klar und ausdrucksvoll, ganz Gefühl: Marisca Mulder), die im weißen Nachthemd in einem Spitalbett unter löchrigem Mondlampion am Rande der Szene ihren Ort hat. Ganz so, als sei alles um ihren geliebten Helden Sigurd (Marc Heller) nur ein Traum, der Zaubertrank, der ihn sie lieben lässt, die Doppelhochzeit, Verrat und Tod eine am Ende böse Vision.
Guy Montavon erzählt diese vertrackte Geschichte geradlinig an der Handlung entlang, in fast märchenhaft leuchtenden Szenen (die Walküre schwebt in einer Art Gondel hernieder, zum Liebesschwur Gunthers und Brunehildes senkt sich ein Blütenflor herab), stellt immer wieder den Einzelnen mitten in die große Chorsängerschar hinein, die mal triumphierend, mal drohend daherkommt. Um am Ende wieder auf die Assoziationen des Bühnenbildes zurückzukommen: Da erhebt sich aus dem Boden ein goldener Kriegerkopf mit erhobenem Schwert, fast schon überdeutlich.
Wie schon in der Ouvertüre, so lässt GMD Joana Mallwitz die Musiker des Philharmonischen Orchesters Erfurt und der Thüringen Philharmonie Gotha die Musik des Werkes – in zeitlicher Nähe zu Wagners „Ring“ entstanden, aber wohl ohne Zusammenhang – über drei Stunden leuchten und dräuen, liebend schmeicheln oder dunkel Unheil signalisieren – allerdings, ohne dass sich etwas wirklich nachdrücklich einprägen würde.