Foto: Szene aus "Opern Werther" in Aalen © Peter Schlipf
Text:Manfred Jahnke, am 14. April 2016
Auch der junge Goethe musste sich schon mit seinem Verleger Weygand herumschlagen. Thilo Reffert überträgt dabei in „Open Werther“ die gegenwärtige Verlagslandschaft ins 18. Jahrhundert. Weygand bedrängt Goethe eine Fortsetzung seines Megaerfolgs „Die Leiden des jungen Werther“ zu schreiben. Was naturgemäß schwierig ist, da ja Werther seinem Leben ein Ende gemacht hat. Aber wie wäre es, wenn die Leiden des Werther noch einmal aus einer anderen Perspektive erzählt würde? Aus der Lottes beispielsweise? Das ist der Grundeinfall des „Open Source“, pardon „Open Werther“: Zwei Schauspieler in Unterhosen treten vor dem roten Vorhang auf, kündigen an, dass leider die Stückvorlage nicht fertig geworden ist. Sie verwandeln sich in Goethe und Weygand und entwickeln auf Druck des Verlegers gemeinsam eine Stückvorlage, die Goethe am Ende vernichten wird. Eine der Fiktionen aber ist, dass man bei der Restaurierung eines Einbandes nach dem verheerenden Brand in der Weimarer Bibliothek 2004 diese Textfassung wieder herstellen konnte.
Nun ist „Open Werther“ nicht nur eine Auseinandersetzung über die schwierige Beziehung zwischen Autor und Verleger und generell über die Problematik von Auftragsarbeiten. Reffert will mehr, er will in der Reibung dreier Seelen – Lotte, Albert, Werther – gegenwärtige Lebensgefühle widerspiegeln. Genauer noch der narzißhaften Welt einer Internet-Generation nachspüren, in der alle Grenzen des Ich sich zugleich auflösen und zu Spielmaterial werden. Nur bleibt dann die Uraufführungsinszenierung von Jonathan Giele mit den zitathaft angedeuteten Kostümen von Ana Tasic doch ein wenig zu sehr im Rokoko, so dass der angestrebte Transfer in die Welt von Facebook & Co nur bedingt funktioniert und wenn, dann auf der generellen Interpretationsebene, bei der die Verzweiflung über eine sich nicht-erfüllen-könnende Liebe, auch über eine Gesellschaft, die mit ihren Konventionen das So-Sein verhindert, dominiert.
Reffert würzt seine Adaption mit vielen Details aus Goethes Leben. Wichtiger ist aber noch der Dreh, alle sieben Rollen von zwei Männern spielen zu lassen, dabei werden sowohl Werther als auch Albert abwechselnd von beiden dargestellt. Marcus Krone glänzt dabei in den beiden Rollen von Goethe und insbesondere Lotte. Gerade der Kontrast zwischen dem intellektuellen Goethe und einer Lotte, die den Werther liebt und dann doch der Konvention nachgibt und dabei zwischen koketten, naiven und ängstlichen Tönen wechselt, ist genau herausgearbeitet. Arwid Klaws ist als Weygand ein gestandener Mann, während er als Werther die eher trotzigen Töne abruft. Es macht dabei sehr viel Spaß zuzuschauen, wie beide Darsteller aus dem Stand heraus mit wenigen Requisiten ihre Rollen wechseln. Für das Tempo, das in den Rollenwechseln angedeutet wird, könnte auch der Raum von Ana Tasic sorgen, der in seiner treppenstufigen Anordnung der Podeste, sowie der Abgrenzung mit kleinen Lichterketten etwas Showmäßiges ausstrahlt. Leider nimmt die Regie von Jonathan Giele besonders vor der Pause durch zu langes Ausspielen das Tempo aus der Inszenierung. Aber das könnte sich noch einspielen.